Diese Frage hat mich lange beschäftigt: Musste ich doch mein Leben irgendwie so einrichten, dass Schreiben darin einen festen Platz fand. Diese Frage wird Dich zwar nie zur Gänze verlassen, aber ich sehe an dem Beispiel vieler und bei mir selbst, dass es zu schaffen ist: dein gesamtes Leben so zu verändern, dass du der Kreativität dienst, die unser Leben so reich und so fruchtbar macht.

Heute habe ich zwar immer noch kein Buch geschrieben, jedenfalls keines zum Anfassen – im Kopf sind schon unzählige entstanden, und Anfänge von Büchern gibt es auch –, aber Schreiben hat einen unverrückbaren Platz gefunden, ist Teil meines Seins geworden, und zwar auch das Schreiben mit der einen Hand. Im Gegensatz zum Schreiben auf einer Tastatur, mit beiden Händen (jedenfalls ist es wohl bei den meisten von uns so).Schreiben mit der einen Hand oder mit zwei Händen war dann jahrelang auch ein Thema. Was sollte wann praktiziert werden? Jetzt ist es organisch geworden. Immer noch und viel wird in mein Tagebuch geschrieben, in das fast alles hineinkommt, damit ich es wiederfinde. Es hat sich bewährt, nicht mehr als zwei, höchstens drei Bücher zu führen. Nicht für mich. Dann suche ich nämlich statt meiner Brille, früher, als ich noch zwei hatte, das richtige Heft.
Mein aktuelles Tagebuch habe ich immer dabei, also werden auch Adressen hineingeschrieben in den wenigen Fällen, wo jemand keine Visitenkarte hat und man die Handynummer des neuen Freundes oder der Freundin nicht gleich eintippt.

Ich bin keine Freundin von Notizen im Notebook geworden, nur einmal, für eine kurze Zeit. Oft wähle ich absichtlich das langsame, altmodische System, habe den Eindruck, dass es mich erdet, ein Adressbuch alter Art zu führen und auch zwei Terminkalender mein Eigen zu nennen: der Jahreskalender in DIN A4 sowie einen von der Größe meines Tagebuchs, in das die täglichen Termine und deren Veränderungen eingetragen werden. Diese ganze haptische Welt der Hefte, Landkarten, Bücher, mit einer Vielzahl von Stiften, Markern, Lesezeichen, ist mir vertraut und teuer. Vielleicht ist in dieser Verweigerung der modernen Angebote, durch den Computer z. B. an meine Termine erinnert zu werden, mein Protest gegen eine kalte Welt steriler Oberflächen zu erkennen, einer Welt ständiger Optimierung und Maximierung, die meine Lebendigkeit untergräbt, kontrolliert und mich zu etwas erziehen will, das ich verneine.

Insofern ich diese Bereiche aufzähle und mir vergegenwärtige, erkenne ich erfreut, dass ich die Lebenskünstlerin geworden bin, nach der ich mich sehnte, oder sehnte sie sich nach mir, meinem ureigensten Ausdruck?

Mein größtes Glück besteht in der Tat darin, mein Leben zu leben. Ja, sagte ich zu denen, die mich nach meinem Befinden fragten zu Beginn der Pandemie oder wenn sie mich lange nicht gesehen hatten. Ja, sagte ich, ich bin selten glücklicher als jetzt gewesen, auch wenn manchmal alles den Bach herunterzugehen scheint. Ich lebe mein Leben „in wachsenden Ringen“, hätte ich beinahe gesagt. Die Frage, ob Leben oder Schreiben, stellt sich mir gar nicht mehr.