Gerade machte ich einen kurzen Eintrag auf Facebook, in dem ich meine traurigen Gedanken zu Europa niederlegte. Ich erkannte urplötzlich, warum die Flüchtlingspolitik scheitert, ja scheitern muss. Wir sind nie Europa gewesen, sind es auch nicht geworden.

Wir lernen nicht mehr Sprachen als früher, sondern alle behelfen sich mit Englisch, wie ich auch. Englisch ist aber nicht verwurzelt in uns, weder in Deutschland noch in Griechenland, wo gerade sehr viele Geflüchtete anlanden und leiden.
Auch die Griechen leiden natürlich, mehr oder minder bewusst.
Keiner nimmt sich mehr Zeit für Diplomatie, lange Gespräche, in der Muttersprache der Betroffenen.

Wir müssten ja Griechisch können, Arabisch. Ich stelle mir die humanste Variante eines Schmerzmittels vor, das auf Lesbos ausprobiert würde:

Verhandlungen, im besten Wortsinn.
Man würde zu gleichen Teilen Griechen von der Insel Lesbos, vom Lager, vom Festland Griechenland und von denen, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen: also Deutsche von Seebrücke, aus der Politik und ein paar Einwohner unseres Landes zusammenbringen.
Mit den benötigten Übersetzern, sodass sich alle in ihrer Sprache artikulieren könnten. Man bräuchte hervorragende Moderatorinnen/Moderatoren. Und drei Tage Zeit. Oder eine Woche. Man würde vielleicht Fachleute hinzuziehen: Psychologen, Polizisten, Priester, Politiker, Großmütter. Auch arabische, afrikanische bitte. Letztere werden ja nie gehört.
Man würde anerkennen, dass alle das Recht haben, auf ihre Weise zu empfinden und zu denken.
Man würde viel Geduld aufbringen müssen beim Zuhören.
Man würde die Pausen miteinander verbringen.
Man würde üben, sich in alle einzufühlen.
Wahrscheinlich würde man sehr schnell begreifen, dass als Erstes die Geflüchteten gut versorgt werden müssten, denn das ist deren größte Sorge – wieder! – geworden: sich selber und ihre Kinder durchzubringen.

Wie ernähren und kleiden und schützen wir unsere Verwandten auf Lesbos, und wie gewinnen wir die, die auf der Insel leben, für dieses Projekt?

Und dann: Wie kann es weitergehen? Wird Platz für die nächsten Ankommenden geschaffen?

Wer widmet sich dem Thema, den Ländern zu helfen, aus denen geflohen wird?

Mal ehrlich: Stellen wir uns mal die Geschichtsbücher unserer Kinder und Kindeskinder vor: Was wird darin stehen zu diesem großen Massensterben?
Alle Kinder der beteiligten Staaten werden fragen, aus der Schule kommend: Mama, was war da eigentlich los, als jeden zweiten Tag Boote mit Menschen, Babys, Kindern anlegten?
Die griechischen Kinder, die afrikanischen Kinder, die deutschen und griechischen Kinder werden fragen.

Welches Schmerzmittel werden wir ihnen anbieten? Illusionen und Lügen?

Die Studentinnen und Studenten werden fragen: Was hast du gemacht, Opa? Was hat Europa gemacht?