Was jedeR Schreibende weiß: Die erste Stufe besteht darin, überhaupt zu schreiben. Unsere Seele, unser Höheres Selbst, weiß meist, dass etwas ansteht, etwas aus uns heraus geschrieben werden will, was uns nicht freut. Wieder ins Lot kommen. Es können erste Ahnungen einer Krankheit sein, unserer eigenen oder der eines vertrauten Menschen. Oder Ahnungen davon, dass die Partnerschaft nicht mehr klingt und schwingt. Auch eine Vorahnung, dass berufsmäßig etwas passieren muss, damit wir uns wieder im Einklang fühlen werden, kann sich so ausdrücken, dass wir den Stift meiden. Vielleicht schreiben wir sogar, aber Intimität mit uns selber, die unsere Vorhaben leichtfüssig und unsere Texte saftig werden lässt, umschiffen wir unbewusst. Woraus der Schluss zu ziehen ist, dass Intuitives Schreiben wie Meditation – oder sollte ich sagen: Die Meditation des Schreibens – geübt werden will. Wir sollten anstreben, sie so alltäglich werden zu lassen wie Zähneputzen. Manche Schreiblehrerin wie Julia Cameron hat sich dazu ja etwas einfallen lassen, was weiter verbreitet ist, als wir wissen: Morgenseiten zu schreiben, jeden Tag drei. Am besten auf lose Blätter, die erst nach einem Vierteljahr wieder angeschaut werden dürfen. Da ich Jahre lang diese Übung machte, könnte ich dazu Vieles sagen, schlage aber eher vor, dass Du es selber einmal ausprobierst. Und dann, ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du in meiner Gruppe sitzt, frage ich, wer mit dem Lesen beginnen möchte. Am Anfang ist nicht davon die Rede, dass irgendjemand regelrecht „möchte“. Was? So ein spontan, oft in drei Minuten geschriebener Text, nicht überarbeitet, soll direkt vorgelesen werden? Wo man doch gerade selber vollkommen überrascht ist von dem, was man da von sich gegeben hat und es selber noch gar nicht versteht? Ja genau, das ist die Hohe Kunst, diesen Mutsprung zu wagen. Natürlich darf man oder frau „Nein“ sagen zum Vortragen, aber das kommt sehr selten vor. Meistens macht es nämlich auch Freude. Wir lernen auf diese Weise, unsere Schreibstimme und unsere vortragende Stimme lieben zu lernen. Aber vor allem geschieht Eins: Unsere Gefühle kommen mit! Wie Schreiben mit der Hand ist auch Vortragen ein langsamer Vorgang, viel langsamer als Lesen, für Viele auch langsamer als das Schreiben mit Tastatur. Nur in der Langsamkeit kommen wir mit, ganzheitlich zu begreifen, was und wie uns das Schreiben berührt hat. Nicht selten kommen Themen zur Sprache, oft spielerisch und in Bildern, vor denen wir uns fürchteten. Nun sind sie an der Luft, in der Sonne des Bewusstseins. Und nun? Im dritten Schritt gibt die Gruppe Resonanz zu dem Gehörten. Es gibt unterschiedliche Resonanzmethoden, die ich alle „Heilsame Resonanz“ nenne; denn die Erfahrung, gehört, verstanden zu werden, ist zutiefst berührend und heilend. Zuletzt hat immer die Autorin/der Autor das Wort. Er fasst zusammen, wie es ihm oder ihr beim Schreiben, beim Hören ging. Nach jeder dieser Runden, Kurse, Workshops fühlen sich die TeilnehmerInnen gestärkt, verbunden, lebendig. Sie sind wieder im Lot. Und die Leiterin ist es auch.