In meinem letzten Eintrag habe ich davon gesprochen, dass wir uns oft automatisch einem solchen Ort zuwenden (Beispiel: der eigene blutende Finger) oder uns von einem solchen abwenden (Beispiel: der Wohnungslose an der Sparkasse).

Ich warf die Frage auf: Und wenn wir nun die Not, den Hunger oder Durst, seine Einsamkeit wie das eigene Ausgesetztsein spüren könnten? Der Punkt scheint mir zu sein, dass wir bestimmte Gefühls- und Geisteszustände kaum aushalten, aber sie werden wachgerufen, wenn wir diese im Spiegel eines anderen Menschen erblicken! Nach meinem ersten Straßen-Retreat war ich wie geheilt von einer verborgenen schrecklichen Angst: unter der Brücke zu landen. Diese Idee war natürlich ein Albtraum, der sich einstellte, wenn mein Konto nichts mehr hergab und meine Karte einbehalten wurde. Ich der Papiere, Dokumente und abzulegenden Garantien nicht mehr Frau wurde, wenn Krankheit oder Überforderung mich wie ein Tier in eine Ecke trieben. Dann muss ich sehr nah an einem solchen erbarmungswürdigen Zustand dran gewesen sein. Aber wir alle sind es dann, wenn wir angewiesen sind, wir uns zumuten müssen, vielleicht ungewaschen und unsortiert, zermürbt und leidend anderen unter die Augen treten sollen. Wenn wir es bemerken, sind wir selber „der unterversorgte Ort“, dem wir uns annehmen sollten. Und was ist mit den Kriegsflüchtlingen, die sich weder in ein Bett noch an einen gefüllten Kühlschrank oder an einen Fernseher oder ein iPad begeben können? Sie müssen gut Freund mit sich selbst sein können. Das können wir üben und werden dabei Ideen entwickeln, wie wir mit Geflüchteten aus der Ukraine Kontakt aufnehmen könnten. Vor einigen Tagen habe ich in der Zeitung gelesen, in welcher Schule die ersten untergebracht worden sind. Was würdest du dringend brauchen, wenn du mit nichts als deiner Handtasche oder einem Rucksack in Bonn angekommen wärst? Fast alles! Trost, eine Berührung. Blöcke und Stifte. Hygieneartikel. Ein Radio. Kabel und Akkus. Wärmflaschen und Thermoskannen. Und so weiter und so fort. Die Geflüchteten und die Helfenden bauen eine Beziehung auf, das ist für beide Seiten aufregend. Genießen Sie es und machen Sie bitte weiter. Ihre und unsere neuen Freundinnen und Freunde brauchen jetzt viel Stabilität. Wir selbst aber auch. 

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