II Kreatives Schreiben als Weg, Befreiung und Transformation 

Ich sollte wirklich wieder das Wörtchen “Kreatives” vor das Schreiben setzen, denn es macht DEN Unterschied aus. Welchen eigentlich? Na, den zwischen dem einen Schreiben und dem anderen.

Gibt es bei mir noch diesen Unterschied? Nein, deshalb vergesse ich gerne, wie lang der Weg gewesen ist. Bislang habe ich nur EINE schreibende Schwester im Geiste gefunden, die diesen Wachstumsschritt genauso wie ich empfunden hat. Eines Tages schreibst Du, schreiben Sie immer kreativ, egal, was Sie schreiben. Das sagt auch Judith Barrington, die ein geniales Buch über “Autobiographisches Schreiben” geschrieben hat, mit dem ich immer arbeite. Sie benannte sogar die durchschnittliche Anzahl von Jahren, die dieser Befreiungsprozess braucht. (Zehn?). Sie können nach dieser Zeitspanne jedes Thema zu Ihrem Thema machen. Sie sind mit dem Prozess des Schreibens wie mit dem Ergebnis gleichermaßen verbunden. Das sind jetzt alles meine Worte, meine Erfahrungen.

Du traust Dich auch, die Ergebnisse deines spontanen, nicht überarbeiteten Schreibens vorzulesen, eigentlich überall. Mal lässt Du beim Schreiben mehr los, als andere Male. Selten springt ein Gedicht von alleine aus dem Fluss. Manche wenige schreiben autobiographisch nur in Gedichten. Wie Mascha Kaléko. Manchmal fühlst Du Dich genötigt, etwas Längeres zu schreiben und mehrfach an dem Ergebnis herum zu feilen. Der Impuls kommt aus Dir, nicht von außen. Selten hast Du etwas wieder herausgenommen, aus dem Blog, von Deiner Facebook-Seite. Auch das ist Training. Ich hatte mich ein paarmal entfremden lassen durch Ärger, den ich nicht adressieren konnte. Manchmal wäre es besser, in Ruhe darüber nachzudenken und vielleicht einen Brief zu schreiben, an die Person, deren Energie irgendwie in Dir herumgeistert. Briefe! Überhaupt, ein so machtvolles Instrument! Die Energie teilt sich immer dem Angeschriebenen mit, wussten Sie das? Auch wenn der Brief nicht abgeschickt wurde. Ich habe mehr als einmal den Zusammenhang in eingefrorenen Beziehungen bezeugen dürfen.

Schreiben Sie also Briefe, am besten mit der Hand. Geben Sie sich keine Mühe, originell oder klug zu sein. Lassen Sie Ihr Herz sprechen. Unter dem Motto: “Was ich Dir schon immer mal sagen wollte…” – es kann sich dabei buchstäblich um ALLES handeln, um unausgedrückten Ärger, nicht eingestandene Liebe, um ein Erlebnis, das ich vorher nie teilen konnte oder wollte, eine Schuld, Krankheit, Untreue, sexuelle Fantasien, den größten Wunsch, eine Beschwerde, die unterdrückt wurde.

Wenn Du in einer Schreibgruppe schreibst, die sich öfter trifft- wie ich es früher fast nur kannte – liest man die Briefe in der Gruppe vor, und die Gruppe “entscheidet”, falls das gewünscht wird, ob der Brief – so – abgeschickt werden kann/sollte/muss.

Ich würde gerne mal wieder Schreibgruppen haben, die sich auf einen längeren Weg einlassen, weil so viel zu entdecken, zu üben, zu entwickeln ist, wenn man schreibende Weggefährten an der Seite hat. Niemand kann Dich so gut verstehen wie diese, denn in gewisser Hinsicht sind sie alle gleich, die Schreibenden.  Auf jeden Fall in einer: Sie MÜSSEN schreiben, und das verstehen die anderen nicht. Mit dem Schreiben-müssen ist so allerhand verbunden, das das Leben für die schreibende Person – und diejenigen, die mit dieser zusammen lebt – kompliziert, unerfreulich machen kann. Auch anregend, wenn die anderen es schätzen können.

Wenn Schreiben Deine Berufung ist, wie es bei mir war und ist – bei mir gibt es noch eine höhere Berufung, in der die Berufung des Schreibens gut Platz hat -, dann ist es für Dich wichtig, sie ernst zu nehmen. Sie schenken Dir Deine größte Lebendigkeit, und diese schenkst Du wiederum der Gemeinschaft, oft in Texte/Gedichte/Romane/Theaterstücke/Songs und/oder Seminare/Ausbildungswege umgewandelt.

Wussten Sie, dass die Dichtkunst zu den schamanischen Disziplinen gehörte? Sie waren Berufene, die Dichter und Dichterinnen, Sänger und Sängerinnen, mit prophetischer oder heilender oder transformierender Kraft ausgestattet. Chronisten, Boten, Lehrerinnen, weise Alte, Traumdeuter, Hebammen…und natürlich Priesterinnen und Priester.

Wunden, die besprochen oder besungen wurden, heilten besser, und dem Stamm wurden heilige Aufgaben gegeben, um die eine Person zu heilen, oder die eine Person hatte eine Aufgabe gegenüber dem Stamm.

Deine heilige Aufgabe: Worin besteht sie genau?