Wenn ich es richtig erinnere, stammt dieses Zitat, diese Beobachtung, von der Dichterin Rose Ausländer. Obwohl ich schon oft darüber nachgedacht habe, bin ich stets aufs Neue berührt. Schreiben ist doppelt leben.

Was bedeutet das, und was bedeutet es mir? Ich erkläre es ungefähr so: Wir Schreibenden haben offenbar das Bedürfnis, Zeugnis zu geben, auf welche Weise auch immer: Im Tagebuch, Brief, in einem Gedicht, einem Essay, in Reisenotizen. Dabei machen viele die Erfahrung, dass sie das Erlebte intensivieren, steigern, es vielleicht sogar auf eine andere Ebene bringen. Sie erschaffen aus der Erfahrung etwas Neues. Vielleicht hält man die Zeit an, indem man die Ewigkeit einlädt – in der kontemplativen Langsamkeit des Schreibens.Schreibende brauchen Raum für sich, um diese „doppelte Arbeit“ tun zu können. Nehmen wir uns nicht ernst, beziehen diesen Sachverhalt nicht mit ein, geht es uns schlecht. Gut geht es uns, wenn wir genügend schreiben. Hier geht es nicht um Veröffentlichung, sondern um die stille Freude am Schreiben selber, am Prozess, im Flow.
Doppelt leben auf diese Weise befriedigt und befriedet. Dem Leser und der Leserin kann es ebenso gehen: So hatte man diesen oder jenen Aspekt des Lebens noch nicht gesehen.

Doppelt leben:
im Dialog mit dem Leben selber.