Was für ein wundervolles Wort: Barmherzigkeit! Ich mag es schon lange, schon immer, aber ich habe mich nicht so richtig getraut, es in mir zum Blühen zu erwecken. Bei „Mitgefühl“ schwingt einfach nicht so viel mit.
Man kann also Menschen und auch Haustieren, Säugetieren, natürliches mitgeschöpfliches Empfinden und Verhalten, das man bei allen Babys und liebevoll aufgezogenen Kleinkindern beobachten kann, abtrainieren. Zwang, Gewalt, Liebesentzug, Stehlen, Verrat, Lügen … Das fühlen auch und besonders ganz junge Kinder. Ich wundere mich oft, wie gering das Vergehen, Vertrauen zu missbrauchen, Versprechen zu brechen, sich anständig zu verhalten, eingeschätzt wird. Auch heute noch. Damit tun wir uns keinen Gefallen. Das heißt nicht, dass ich für Strafen eintrete, schon gar nicht für drastische und sadistische Strafen. Nein, ich trete ein für Transparenz, für Verantwortung, für Vertrauenswürdigkeit, für Langmut, Großzügigkeit, Offenherzigkeit, Ehrlichkeit, Barmherzigkeit. Ich finde es zum Beispiel gut, Dienst für die Gemeinschaft als „Strafe“ zu tun, auch etwas zurückzuzahlen, auch den Geschädigten zu fragen, was er oder sie braucht, um sich ausgesöhnt zu fühlen … Da gibt es noch viel kreative Arbeit zu leisten.
Traumata werden Menschen, Tieren, der Erde und den Elementen durch allerlei Geschehnisse zugefügt. Das ist alles schwerwiegend genug. Warum wir noch Kriege hinzufügen müssen, ist mir ein Rätsel. Wie ist es möglich, zu glauben, dass Krieg je irgendjemandem genützt hätte? Im Gegenteil, die Langzeitfolgen liegen so unglaublich klar auf der Hand … Barmherzigkeit üben mit unserer Unvernunft als Menschen? Ich weiß nicht so recht. Mir will scheinen, dass wir moralisch uneindeutig sind, noch nicht imstande, klare Grenzen zu setzen und die Überschreitungen vernünftig und angemessen zu sanktionieren. Das gilt für rassistische Gewalttaten, Ausbeutungsverhältnisse und Aufhetzung wie für Kindesmissbrauch und Vergewaltigung Minderjähriger und Abhängiger.
Die Barmherzigkeit fehlt dann auf der anderen Seite: Ist unser Herz bei den Kindern, Müttern, bei den illegal hier Lebenden, den Geflüchteten, den Gescheiterten, den Traumatisierten, den seelisch und geistig Erkrankten? Die wir vielleicht selbst waren oder sind? Dann wissen wir, was zu tun ist. Großmut entwickeln, barmherzig sein. Und wenn wir wie Idioten wirken: Egal. Das Gute trotzdem tun.