Ich sagte neulich zu einem lieben Menschen: Ich finde, wir sollten sie immer annehmen, freudig, die Geschenke unserer Mitmenschen. Ich meine damit die, die wirklich als Geschenk gemeint sind, nicht irgendwelche Gemeinheiten, an denen wir dann wochenlang zu „knabbern“ haben. Auch wenn sie uns mit einer Seite unseres Soseins nicht gefallen, nicht entsprechen. Vielleicht hatten wir sogar gesagt, wir wollten kein Geschenk. Trotzdem. Es gehört so viel dazu, es sich wert zu sein, zu schenken. Es sich wert zu sein, Geschenke anzunehmen. Beides ist eine Kunst, die wir üben und verfeinern können. Ein Mensch, der von sich glaubt, er oder sie habe nichts zu geben, führt ein äußerst trauriges Leben. Daher lieber nichts zurückweisen. In jedem Geschenk steckt auch ein Stück Poesie, Schönheit des Gebenden. Vielleicht übt dieser Mensch gerade das Schenken und kann es noch nicht so gut.
Wir können auch darüber sprechen, bei einer Tasse Tee oder Kaffee. Ein Thema, das alle angeht, auch die ganz Kleinen und die ganz Alten. Um Weihnachten und Sylvester herum Thema Nummer eins. Ich nehme also alles an, herzlich an, schaffe es manchmal auch nicht, mich zu bedanken, hoffe dann, es später wieder gutzumachen durch einen Brief, eine Karte. Manche Menschen habe ich sicherlich enttäuscht. Das tut mir sehr leid. Ich bitte herzlich um Verzeihung. Manchmal schaffte ich es wirklich nicht, dann hoffe ich, dass dieser Mensch nicht aufgibt und mich einfach anruft. Geschenke dürfen weiterverschenkt werden, manchmal sage ich das auch. Früher hatte ich Hemmungen, das war sozusagen ein Tabu. Manche Geschenke haben auch irgendwann ausgedient, fanden die Würdigung, die ich ihnen zukommen lassen wollte und konnte, und dann wurden sie mit anderen Gegenständen, die einfach überflüssig waren und wurden, weggeworfen. Niemals sofort und achtlos. Dasselbe gilt auch für Einladungen, die ja auch wie Geschenke sind. Nach Möglichkeit esse ich, was angeboten wird. Im Rahmen des Möglichen. Ich trinke zum Beispiel keinen Alkohol und keinen Kaffee mehr. Denn gerade Essen kommt vom Herzen, wenn es dann noch selbst gekocht wurde.
Leber, Nieren, Innereien würde ich nicht essen und das höflich sagen können. Wenn man mich länger kennt, wird man herausfinden, was ich schätze und nicht so oder gar nicht. Aber erst einmal geht es um Gastfreundschaft, wo man teilt, was da ist. Ganz einfach DIES.
Wir haben es verlernt und können wieder lernen. Wen könnten wir mal einladen, überraschen, für wen oder mit wem kochen? Nach dieser schrecklichen Covid-Phase doch genau das Richtige, wieder aufzutauen und Leichtigkeit im Umgang zu finden. Darf man alte, gebrauchte Dinge verschenken? Ja! Es kommt darauf an, wie man das macht. Offen, fragend. Gerade das Tauschen, das Abgeben vom Zuviel, das großzügige Teilen dessen, was man schon hat, ist definitiv zu kurz gekommen bei uns. Gerade bei neuen Freundschaften kann es ein Zeichen großer Nähe und Verbundenheit sein, wenn ich gefragt werde, ob ich diesen Pullover haben möchte – die andere Person weiß genau, wie sehr ich Wolle schätze, und vielleicht hatte ich das Kleidungsstück gelobt.
Die Motivation also zählt, und manchmal doppelt. Weitaus mehr als der Gegenstand. Eigentlich bräuchten wir uns gar nichts Materielles zu schenken, denn die Begegnung von Herz und Herz zählt allein, das Sehen und Gesehenwerden. Das Teilen unserer Lebenszeit. Vergessen wir das nicht in einem Winter, mit Krieg nicht weit entfernt, mit Angst, die Heizung zu weit und zu lange aufzudrehen, mit Scham angesichts der Noch-stärker-Ausgesetzten ohne Dach, Schutz, Wärme, Nahrung, Hoffnung. Wir haben dieses Leben geschenkt bekommen, vielleicht nicht immer mit Dank und Liebe empfangen, dieses Wunder, und wie können wir je, ohne Trauer zu empfinden, verstehen, wieso wir zu denen MIT einer Herberge gehören. Mögen wir die Türen offen halten, immer wieder, um Geschenke freimütig geben und empfangen zu können.
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