Die Sieben Großen Disziplinen: Teil 7 - Abschied gestalten - Das Neue begrüssen, 16.12.2022
Die Sieben Großen Disziplinen: Teil 7 - Abschied gestalten - Das Neue begrüssen, 16.12.2022

 

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Abschied gestalten – Neues beginnen

Mit diesem Text zum Vortrag schließt sich der Kreis: Ein Kreis der offen ist und eingebaut in eine Spirale. Unser Lebensweg wird wie ein Labyrinth erlebt, wie eine Spirale oder wie der Kreis eines “Medizinrades”, welches uns stetig durch die “Vier Jahreszeiten” hindurchführt. Würden wir im Einklang mit der uns umgebenden und innewohnenden Natur leben, würde es uns wahrscheinlich leichter fallen, auch unser “Fallen”, das mit dem Wort “Hinfälligkeit” eng verbunden ist, als Gegebenes zu akzeptieren. Würden wir eng mit Kindern, eigenen und Fremden sowie mit Tieren und Pflanzen, lebendigem Wasser leben, dann wüchsen wir auf mit den Kreisläufen von Säen, Düngen, Wässern und Ernten. Mit den Segnungen und Verwüstungen durch Wetter und Mißernten, mit Totgeburten bei Tieren und Menschen, mit Langlebigkeit und Verfall.

Die Hoch-zeit der Corona-Pandemie hatte für Viele von uns etwas Gespenstisches, nicht nur wegen der schwer einschätzbaren Gefahren, die mit Krankheit und Tod assoziiert waren, sondern auch deswegen, weil nichts Natürliches damit verbunden schien und man kaum oder keine Toten sah, keine Abschiedsfeiern wahrnahm, es sei denn, im eigenen Familienkreis, und dort sehr reduziert. Alles schien seltsam ver-rückt, und nur einzelne kreative Initiativen wie das Singen von Balkons in Hinterhöfen oder Gruppentänze, bei denen jede*r genügend Abstand von den Mittänzern hatte, kamen uns nahe und berührten uns tröstlich.

Abschied und Neubeginn wird von uns Menschen gerne mit Ansprachen oder Stille, “unserer” Musik, zu uns passendem Essen, mit geladenen Gästen gefeiert. Man kann so ein Fest ganz klein halten und es mit einem persönlichen Ritual verbinden. Wenn es sich um Abschied handelt, kann man eine Feier mit einer Mischung aus geteilten Erinnerungen, Dankbarkeit, dem Teilen auch schmerzlicher Erlebnisse, die vielleicht noch bereinigt werden wollen, mit Verzeihen und Glück- und Segenswünschen, vorbereiten und mit anderen gestalten oder gestalten lassen. Vor Reisen, langen Krankenhausaufenthalten, bei Trennungen, von Gruppen, Familien, Kolleginnen oder Projekten…- immer tut es uns gut, wenn Angst und Kummer, Neugier und Auffbruchstimmung thematisiert werden können und wir ein liebevolles Geleit in den nächsten Lebensabschnitt hinein geben oder empfangen dürfen.

Erst in gut strukturierten und geleiteten Langzeitgruppen (in “Themenzentierter Interaktion”, später auch in anderen Gruppenprozessen), habe ich die Weisheit, die in dem Titel dieser Reflektion liegt, schätzen gelernt. Der Unreife und Hilflosigkeit, die zum Ausdruck kommt, wenn Tod und Tote verschwiegen, Krankheiten bagatellisiert, Altern, Sterben und Tod als Tabuthemen betrachtet werden, sollten wir alle mit Mut und Kreativität begegnen. Dann erfahren wir nämlich, wie wohltuend es ist, für jeden einzelnen, wenn man, um ein Beispiel zu geben, in einer längeren Ausbildungsgruppe warm und herzlich empfangen und begrüßt wurde und man dann gut informiert wurde über das, was einen erwartete. Wenn man Fragen stellen durfte und immer wieder Zeit gegeben wurde, sich verständlich zu machen und die anderen zu verstehen.
Am Ende eines solchen Prozesses war es selbstverständlich, dass alle ihre Wertschätzung zum Ausdruck bringen konnten, für den eigenen Weg, die erfahrene Unterstützung, die eigenen Irrtümer und Fehler, Hindernisse und Widerfahrnisse, für die Leitung und diejenigen, die einen sonst noch unterstützt hatten. Tränen flossen, Umarmungen wurden getauscht, es war süß-schmerzlich, jedesmal, aber auch lebendig, erfüllend: Man konnte sich danach wirklich umdrehen und wieder einmal über eine Schwelle gehen.

In der Gegenwart zu leben, heisst eben auch dies: Diese gestaltend zu erleben. Dabei fokussieren wir uns auf wenige Elemente, Themen, vielleicht fasten wir sogar und stärken damit unsere Aufmerksamkeit, unsere Wachheit. Wir lassen es zu, dass etwas zu Ende geht: Der Tag. Die Nacht. Der Schmerz. Eine Freundschaft. Dieser Genuss. Eine Gewissheit geht, eine andere kommt. Frühling kündigt sich an, während ich dem Herbst und Winter meines Lebens deutlich entgegen gehe. Und dabei Tage oder Wochen erleben kann, die sich frühlingshaft anfühlen. Aber ich versuche, mit nichts vorzumachen. Danken und Gehen lassen.

Mich in den Tod gehen lassen, und Dich. Wir befinden uns noch mitten im Winter, dem großen Verwandler. Da sehen und fühlen wir es doch. Kälte, Dunkelheit, Kargheit vieler Pflanzen. Äußerlich. Danke.

Der Punkt ist, wir schaffen Raum in uns, wenn wir Abschied gestalten. Das sind energetische Geheimnisse, die jedes Kind kennt. Man gibt Jemandem noch ein Geschenk mit. Ein leerer Raum ist entstanden, ganz neu, ganz frisch. Etwas Neues kann beginnen.

Bild © von PIRO auf Pixabay