26. Dharma-Reflexionen vom 1. Juni 2025 des Buchstudiums “ The World Could Be Otherwise” von Norman Fischer roshi, Seiten 95-97. Mit Ärger üben

Thema: Mit Ärger üben

⁃ „Ärger ist Information“: Dies ernst nehmend, lernen wir, dem Zeichen des Ärgers zu lauschen. Sobald wir in die Haltung des „lauschenden Wissenschaftlers“ hinein gefunden haben, dürfte ein großer Teil des unangenehmen Gefühls schon verraucht sein.
⁃ Mit dem Ärger ist es wie mit physischen Schmerzen, die anzeigen, dass irgendetwas nicht stimmt. „Wir üben also Geduld nicht, damit der Ärger verschwindet, sondern, um in diesen hineinzugehen, mit Wertschätzung und Respekt, so dass wir ihn in positive Emotion und Aktion umwandeln können.
⁃ Es ist nicht einfach, Ärger als Ärger überhaupt wahrzunehmen, um ihn dann freundlich und mutig zu umarmen. man könnte sich auch an ihm festbeißen oder ihn herumsprühen.
⁃ Sich mit Ärger zu verbinden, ist eine subtile Angelegenheit, die Du nicht aus einem Buch lernen kannst. s gibst einfach keinen anderen Weg, als ihn an Dir selber zu studieren.
⁃ Die Praxis solcher subtilen Beobachtung heißt Achtsamkeit, und diese ist enorm kraftvoll.
⁃ Trotzdem ist sie meist unserer Intuition entgegengesetzt. (ich ergänze hier „meist“, da ich schon lange meine Intuition trainiere. Ich würde eher sagen, sie ist „gegen unseren Instinkt“, denn unsere regressiven Impulse regen eventuell nicht zur Selbstbeobachtung an. (Obwohl….es auch beobachtende Naturen gibt, die man zum Wahrnehmen und Spüren von Wut lange ermutigen muss.)
⁃ Norman will dem Leser Mut machen, sich auf Durchhaltevermögen und Lernen und damit sich zu ändern, einzulassen. Er appelliert noch an Intelligenz und Offenheit.

Nun werden uns einige strukturierte Angebote gemacht, mit denen wir systematisch üben könnten:
1. “Denke über Ärger nach. Intelligente Reflektion spielt eine große Rolle.”
2. Nimm einfach wahr. Wenn Du ärgerlich bist, übe Dich darin zu fragen: Wie fühlt er sich an? Verbinde Dich mit Deinem Atem, Deinem Herzschlag. Wenn Du diese Übung während des Anfalls von Ärger vergisst, übe es hinterher. Schritt für Schritt wirst Du lernen, es genau während des Moment zu tun.
3. Sag Dir selber: „Dies ist Ärger. So fühlt er sich also an.“ Während Du das tust, entschleunigen sich die Dinge, dieser Zustand wird freundlich umarmt, weder stößt Du ihn weg, noch hängst Du an seiner Angel. Wenn Du inmitten einer Interaktion mit einer Person wütend wirst, übe, um eine Pause zu bitten. “Warte bitte einen Moment, ich muss mich sammeln/beruhigen, wieder zu mir kommen. Widersteh dem Versuch, unmittelbar zurück zu schießen.
4. Wenn der Moment des Ärgers vorüber ist, nimm‘ Dir die Zeit, ihn zu untersuchen. Lass ihn hochkommen während der Meditation, beim Tagebuch schreiben, bei anderen Gelegenheiten der Reflektion. Was war das geschehen? Was waren die naheliegenden Gründe, dass es soweit kam? Welches waren die tiefer liegenden Gründe? Denke an die Menschen, die daran beteiligt sind und wie Du sie gerne betrachten würdest. Der Autor fährt fort, indem er Schritt für Schritt den Weg beschreibt, den ein Praktizierender geht, ja, gehen muss, um sich so nennen zu können: Die Beziehung und damit die Bewertung (letzteres ist von mir) zu dem Phänomen des ‚Ärgers’ zu ändern, bis hin zu der neutralen Sicht einer Forscherin und eines Forschers (auch das von mir), der oder die hoch interessiert ist an der Emotion als Prozess und als Problem. (Ich würde hinzufügen: als zu lösendes Problem, oder such nicht). Du sieht es nicht mehr als „face value“, was ich überhaupt nicht verstehe, auch nicht mit Lexikon.
5. Wir sollen das 9. Gelöbnis praktizieren, nämlich Liebe zu praktizieren und nicht Übelwollen. Wir diskutierten die Sechzehn Bodhisattva-Gelübde im vorangegangenen Kapitel, die uns dabei helfen sollen, auf der richtigen Spur zu bleiben. Wir könnten ferner der Person, die uns sehr verletzt hat, Liebevolle-Güte-Wünsche senden, wie zum Beispiel: Möge es Dir gut gehen, mögest Du glücklich sein. Norman schlägt hier eine einfache „Liebende Güte-Meditation“ wie auf Seite 60* beschrieben. Du wirst sogar erleben, dass Dein Ärger sich mit der Zeit besänftigt, wenn Du die Übung öfter praktizierst, auch wenn Du den Inhalt noch nicht richtig fühlst.
Demnächst hier:
Liebende Güte Meditation

Gedanken zu Reaktionen aus der Gruppe und meine eigenen:

Bei uns in Deutschland haben viele Leute aus den Milieus von Heilung und Spiritualität Therapieerfahrung. Manche dagegen vermieden bewusst Therapie, weil sie Spiritualität allein als heilend erleben. Ärger ist vor allem für therapie-erfahrene Menschen ein besonders schwieriges Thema, weil sie sich damit meist beschäftigen mussten und eine gewisse Scham dabei empfinden, eventuell nicht weit mit einem angemessenen Ausdruck von Ärger gekommen zu sein. Entweder, weil sie ihn gar nicht fühlten, geschweige denn, ausdrückten. Oder weil sie ihn nur ausdrückten, ohne mit ihm verbunden zu sein. Oder sie wussten gar nicht, dass sie Ärger in sich trugen.

Für manche, überwiegend für Frauen und schüchterne Männer, bedeutete es einen Akt der Emanzipation, aufmerksam für Grenzüberschreitungen zu werden, beispielsweise, und zu erfahren, wie diese sich anfühlen, und zu lernen, klare Signale zu setzen, sich zur Wehr zu setzen. Hier bewusst Ärger einsetzen zu können, um authentisch zu sein, ist gerade für Eltern sehr wichtig. Das hat nichts, gar nichts mit Jähzorn und ungezügeltem Verhalten, mit Ausagieren zu tun. Heuchelei und Doppelbotschaften, passive Aggression sind sonst die Folge – mir bekannt unter allen spirituellen, religiösen Menschen. Ich war eine Weile selber so konditioniert und versuche,  mich davon zu befreien.. Ja, manchmal bin ich eine ärgerliche, frustrierte weltliche Nonne (mit Laienordination). Eine, die sich entschuldigen muss und das auch tut, sofern ich wahrnehme, dass ich mich ungerecht oder unangemessen dominant, abwertend, ungeduldig und gereizt verhalten habe. Ich kann nur hoffen und dazu ermuntern, mich zeitnah zu konfrontieren.

Insofern fehlt mir bislang der Punkt in dem obigen Essay – vielleicht kommt er noch -,  Ärger durch klare, offene Kommunikation zum Schmelzen zu bringen. Durch Dialog oder im Kreis.

Einen Beobachtung möchte ich noch ansprechen. Ich meine, dass Vieles steht und fällt mit der Motivation, beispielsweise nach den Gelübden zu leben. Kann auch das etwas Äußeres sein, was sich angesagter anfühlt, als zur Kirche zu gehen? Ärger, großen Ärger herumzustreuen, scheint mir mit Lustgewinn, einer Variante des Sadismus, der fast salonfähig geworden ist, verbunden zu sein. Weil dies so ist oder zu sein scheint, wird vielleicht wenig am Umwandeln des Ärgers gearbeitet.

Eine Mutmaßung von mir – mehr nicht.