27. Dharma-Reflexionen zum Buch „The World Could Be Otherwise, von Norman Fischer. Konflikte: Die fortgeschrittene Übung in Geduld – 8.6.2025. S. 98-100
Einige persönliche Anmerkungen als Einleitung
Je älter ich werde, desto aufgeschlossener trete ich dem Thema „Konflikte“ gegenüber – mit größerem Selbstbewusstsein, größerer Gelassenheit und Neugier. Das Spektrum an Möglichkeiten, „geschickten Mitteln“, ist bedeutend größer geworden, meine Sucht nach Erfolg oder Verstehen oder schnelles Gelingen tendiert gegen Null, obwohl ich natürlich immer noch Angst, Irritationen, Wut o.ä. verspüre, die mir wichtige Hinweise geben. – Ich stimme mit Norman überein, dass Konflikte einfach sind. „Weise Bodhisattvas sehen Konflikte als fruchtbare Räume für fortgeschrittene Übungen in Geduld. (Ich hätte noch hinzugefügt, „fortgeschrittene Übungen in Anwendung der „Giraffensprache“ (Begriff aus der Gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg) in komplexen Situationen.
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Norman weist uns und sich selber darauf hin, dass das Leben selber nicht wie ein Buch dahin fließt und wir eine Methode fein säuberlich nach der nächsten anwenden. „Wenn wir als Bodhisattvas agieren, verwenden wir alles, was wir haben: Großzügikeit, ethisches Verhalten, Geduld, freudiges Bemühen, und besonders Verständnis – sowie, natürlich, noch viel mehr. Und nicht selten müssen wir alles wegwerfen und einfach voll gegenwärtig sein inmitten starker Gefühle, manchmal entschlossen. Konflikte werden unsere schmerzhaftesten und beunruhigendsten Impulse nach oben bringen. Genau deshalb sind sie so kostbar.“
„Wenn ich mich in einem Konflikt befinde, beginne ich damit, mit meine Bodhisattva-Verpflichtung vor Augen zu führen, die in meinem Verständnis dafür gründet, wie die Gegebenheiten in Wahrheit sind. Ich weiß, dass, wenn ich über mich selbst verkleinert denke – an meine Bedürfnisse, meinen Stolz, meinen Wunsch, bedeutend oder wertvoll zu sein – mir damit nicht wirklich gedient ist.“ (Ich übersetze hier wörtlich, damit wir Normans Stimme hören. Allerdings würde ich es so nicht immer selber sagen, doch bilden Sie sich bitte selber eine Meinung) „Es würde dazu beitragen, mich elend zu fühlen. Außerdem ist es nicht wahr, bzw. nicht die ganze Wahrheit oder die glückliche Wahrheit. Ich mag eine gewöhnliche Person sein mit gewöhnlichen psychologischen Bedürfnissen und Nöten, aber ich weiß, dass ich gleichzeitig mehr bin. Meine Vorstellungskraft sagt mir, ich bin nicht nur „ich selbst“. Ich existiere, weil alles existiert, und ich könnte ohne dieses „alles“ nicht da sein. Andere und ich sind ein Sein, ein kontinuierlicher Fluss, also sind meine Interessen und die der anderen identisch.
Ich weiß, dass als dies wahr ist, auch wenn ich es oft vergesse. Konflikte könnten nicht in meinem Leben gar nicht auftauchen, ohne dass ich es vergessen hätte. Wenn ich also die Gefühle fühle, die Konflikte in mir hervorrufen, weiß ich, dass ich etwas Fundamentales vergessen habe und dass ich dies nun vorsätzlich erinnern sollte. Also tue ich das. Natürlich verschwindet der Konflikt davon nicht. Aber er wird in die richtige Perspektive gerückt.
Als Nächstes rufe ich mir die Belehrungen über Ärger in Erinnerung, über die wir nachgedacht haben. Ich weiß, wenn ich starke Gefühle habe, muss ich mich diesen zuwenden und sie untersuchen. Wenn ich übe sie hinweg springe und mich in Schuldzuweisungen und strategischen Überlegungen verliere, werde ich etwas übergehen. Ich werde nicht nur meine Verbindung zu anderen gering schätzen, sondern ich werde der Lösung des Konfliktes ausweichen, welche sich möglicherweise genau in der Emotion befindet, die zu fühlen ich nicht bereit war, indem ich mich in defensive oder aggressive Äußerungen stürzte. Dabei weiß ich genau, wie ich in diese schwierige Emotion eintrete: Ich führe mein Gewahrsein zum Körper und zum Atem zurück. Ich nehme mir Zeit zu reflektieren, zu überdenken, geduldig mit der Emotion zu sein.“
Persönliche Anmerkung
Ich muss hier wörtlich übersetzen, weil jeder Satz zählt, jeder Schritt, jede Beobachtung. Das Ganze begeistert mich. Wir können es laut und sehr langsam lesen oder uns vorlesen lassen, während wir uns sammeln nach einer schweren, kritischen Auseinandersetzung, auch wenn wir vielleicht „nur“ Zeuge von ihr waren.
Seite 100 – strukturiert und frei zusammengefasst:
⁃ Während wir in der Übung stärker werden, werden wir resilienter und großzügiger. Norman versichert, ermutigt uns, dass wir Kleinigkeiten, Verletzungen, Bedürfnisse, die wir für wichtig hielten, schneller loslassen können.
⁃ Wir erkennen und wertschätzen es, dass die meisten Menschen gar nicht vorhatten, uns zu verletzen.
⁃ Woraus erfolgt, dass wir “den Sieg”, wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, wirklich den anderen leichter überlassen können, “je stärker, ruhiger und weiträumiger wir werden“.
⁃ Manchmal ist es nicht richtig, nachgiebig zu sein. Andere Male können wir es nicht. Dann müssen wir in den Konflikt springen, weil unser Selbst Anerkennung und Respekt verdient.
⁃ Wenn wir erkennen, dass wir uns und dem anderen – oder den anderen – Gewalt antun, falls wir nachgiebig sind, müssen wir als Übung in Mitgefühl in Opposition gehen.
⁃ Indo-tibetischer Buddhismus hat viele berühmte Texte, um Mitgefühl zu erzeugen, zum Beispiel “Lass den anderen den Sieg: auch wenn Du findest, dass sie im Unrecht sind.”
⁃ [Persönliche Anmerkung: Um größeres Unheil zu verhindern oder zu stoppen, beherzigen Menschen in Umständen systemischer Unterlegenheit seit Beginn an, diese Empfehlung. Frauen, vor allem, wenn sie Mütter sind, sehen stillschweigend über die Vergewaltigung(en) hinweg, Dalits und Sklaven und weniger machtvolle Menschen verzichten auf Gewalt, um der Deeskalation willen. – Dieser Gesichtspunkt wird gern übersehen. Allerdings gelingt diese Übung in Selbstbeherrschung und brüchiger Loyalität nicht immer, und der Täter wird hinterrücks ermordet.]
⁃ Ein Student, der sich dieser buddhistischen Richtung angehörte, veröffentlichte sein Dilemma in der buddhistischen Zeitschrift “Lion’s Roar” (Das Brüllen des Löwen), in dem er sich mit einem Kollegen befand, der sich ständig mit den Federn dessen schmückte, der um Hilfe bat.
⁃ Seine Frage lautete: “Wie balanciere ich zwischen der Übung dieser Belehrung und dem, was sich für meine Arbeitsmoral und meine Karriere richtig anfühlt?”
Die Antwort auf diese Frage können Sie in den 28. Dharma-Reflexionen lesen, die Zoketsu Norman Fischer geschrieben und in derselben Zeitung (Lion’s Roar) veröffentlicht hat.