Heute früh las ich in dem hervorragenden Buch von Norman Fischer “The World could be Otherwise”: “Jeder ist zögerlicher, verwundbarer, roher als er oder sie erscheint. Wenn wir dies akzeptieren, sind wir freundlicher zu uns selbst und anderen. Diese Freundlichkeit gründet sich auf ein geerdetes Verständnis der menschlichen Natur, ist die Basis ethischen Verhaltens.”

Ich arbeite gerade mit diesem Buch. Das heißt, wir, die wir die Anregungen des Zen-Priesters und früheren Abtes des San Francisco Zen Centers, Dichters und Buchautoren Norman Fischer für uns fruchtbar machen wollen, einigten uns darauf, das Buch zu lesen. Das hatte ich schon. Dann Passagen daraus zu nehmen, oder Sätze, die uns ansprechen, und diese mehrmals am Tag vor uns hin zu sagen. Es gibt so viele solcher Dichteraussagen, die sich mit ganz konkreten Handlungsanweisungen verknüpfen, in diesem Buch. Doch heute fange ich an, nehme diese Gelegenheit, mit meinen geschätzten Lesern*innen ein paar dieser Perlen zu teilen.Ich brauche derartige Einsichten immer wieder. Solche, die die menschliche Natur betreffen. Damit wir schnell unsere Tendenz, uns abzusondern voneinander, wenn etwas schief läuft, überwinden können. Damit wir rascher von allzu schnellen Urteilen ablassen können. Damit wir Freundlichkeit als unsere grundlegende Übung betrachten und sie andauernd anwenden können. Sie beinhaltet gleichzeitig Großzügigkeit, Wohlwollen, “Gnade vor Recht”. Innere Weite, Inklusion, um ein modernes Wort zu verwenden, und Verbindung, Verständigung werden leichter oder sogar erst ermöglicht.

Rückfälle in die Barbarei der Selbstbezichtigung, der Feindseligkeit oder Nörgelei sind leider auch vorprogrammiert. Jedoch kann ich bei mir feststellen, dass ich tendenziell schneller, unmittelbarer zärtlicher mit mir und anderen umgehe. Oder rascher um Verzeihung bitte. Manchmal brauche ich eine Entschuldigung, sehne mich danach. Mit solchen Situationen kann ich noch nicht so gut umgehen.

Aber vielleicht könnte ich ja dann oben genanntes Mantra rezitieren: “Jede*r ist zögerlicher, verwundbarer, roher als er oder sie erscheint”. Ach, wie wahr ist das. Und eine große, etwas melancholische Zärtlichkeit erfasst mich, und ich umschließe mit einer von Herzen kommenden Umarmung diese ganze Welt.