Im November wird getrauert: Doch ist unsere meist verordnete Trauer nicht zu vergleichen mit dem „ Dia de los Muertos “ in Mexico.
Die lebendige Tradition des Erzählens und Weitergebens von Geschichten, Liedern, Initiationen ins Erwachsenleben, von Geburt und Tod und Liebe, wurde zweimal massiv unterbrochen. Ein „ Dia De Los Muertos “ müsste tagelang dauern, so viele hatte man auf dem Gewissen, so viele verloren und nicht begraben, so viele bei Ausbombungen ums Leben gekommen, über ungezählte Tote wurde geschwiegen. „Nach mir die Sintflut“ und „Bloß nicht erwischen lassen“ wurden bewusst oder unbewusst zur zynischen Parole, irgendwie zusammenraffen, was man kriegen konnte, auch an Liebe, billig, billig musste es sein. An Dauer und das Gute glaubte keiner mehr wirklich, wer das tat, das waren „Gutmenschen“. Gutmenschen waren Naivlinge, Heuchler, die für jüdische und muslimische Menschen, für Geflüchtete und um ihr Leben bangende Menschen eintraten.
Wie kann man nur!
Es ist ehrlich, geizig zu sein und an sich zuerst zu denken. Ich glaube, wir waren zum Trauern unfähig und sind es immer noch und wieder und wieder. Trauer ist ein zusammengesetztes Gefühl, das auch aus Schmerz, Wut, Angst, Gelähmtsein besteht und oft gar nicht als solches erkannt wird. Trauer ist vielschichtig und individuell, daher auch unterschiedlich lang und tief. Manchmal ist Trauer Verzweiflung, Bitterkeit. Nur wenn wir einen inneren und/oder äußeren Raum dafür haben, erleben wir wirklich Traurigkeit. Sie ist unendlich heilsam, wenn wir uns sicher genug fühlen, sie zuzulassen. Sie vergeht und verwandelt sich umso eher, je mehr wir sie zulassen.
Trauer um andere und Trauer um das „Kind“, die „inneren Kinder“ in uns gehören zusammen. Trauer kann gelernt werden. Sie erleichtert und befreit. Können wir „all unsere Toten“ willkommen heißen?