Die junge Frau war sichtlich erschüttert, die sich irgendwo auf einer Straße festgeklebt hatte und nun in einem Video erzählte, sie sei zu vier Monaten Haft verurteilt worden. Die Richterin sei besonders hart in ihrem Fall gewesen, weil die Klimaaktivistin auf deren Anfrage sagte, sie würde es wieder tun. Das mögen Eltern und Elternfiguren nie, die Aktivistin muss das zur Kenntnis nehmen. Aber eine Verwarnung mit drei Tagen Haft hätte es auch getan. Was tut denn die Richterin für die Generation ihrer Enkelkinder? Vielleicht könnten Vertreter beider Generationen etwas zusammen machen, das Menschen aufrüttelt und doch niemanden nötigt?

Junge selbstbewusste Menschen mit eigener Meinung kamen selten gut an in Deutschland. Dabei verdienen sie es, aus meiner Sicht, das Wahlrecht zugesprochen zu bekommen. Hätten junge Menschen politischen Einfluss und würden damit ernst genommen, würden sie ganz schnell andere Register ziehen und Verantwortung übernehmen, genauso wir ihre Geschwister in der sog. Dritten Welt, die ganze Familien ernähren oder zumindest zum Einkommen beitragen, die früh Kinder bekommen oder ihren Vätern oder Müttern zur Hand gehen. Womit ich nicht sagen will, dass ich das toll finde, wenn sehr junge Frauen früh schwanger werden, statt sich weiterbilden oder überhaupt wählen zu können, wie sie leben möchten. Wir können jedoch an ihrem Beispiel sehen und an unzähligen anderen, dass Teenager zu weitaus mehr in der Lage sind, wenn sie gut angeleitet werden, als wir ihnen zutrauen. Unsere Lebensform mit zu oft noch erstarrten pädagogischen Programmen und infantilisierenden Rahmenbedingungen lässt den jungen Menschen doch gar keine andere Wahl, als ihrer Empörung, Verzweiflung und Hilflosigkeit so kreativ und wirksam wie möglich Ausdruck zu verleihen! Ich denke: Als Soldaten waren sie uns oft gut, die Jugendlichen mit ihrem leicht zu entfachenden Heldenmut, und ich hörte, wie stark auf Schulhöfen wieder für die Bundeswehr geworben wird.

Das also ist legitim? Haben wir nicht, zurückblickend in unsere Familien und ins vergangene Jahrhundert mit den beiden Weltkriegen, genügend Tote in eigenen Reihen aufzuweisen? Und mehr als genug Tote, die von Deutschen umgebracht wurden? Ich frage ernstlich nach dem Geisteszustand („mind“) derer, deren Augen leuchten beim Gedanken an Lieferung von schwerem Geschütz, Kriegsgerät, Waffen aus Deutschland. Manchmal möchte man flapsig ausrufen, wie in der Schule früher, sagt mal, habt Ihr sie noch alle? Ihr solltet, ganz nebenbei wissen, dass Kriege Umweltzerstörung ersten Ranges betreiben! Und wer wird eingesperrt, für vier Monate? Ein renitentes Mädchen, das nicht einsehen kann, warum es gemeingefährlich ist, auf die absolute Notlage der nächsten Generationen aufmerksam zu machen, soll zur Vernunft gebracht werden. Das wird natürlich nicht geschehen, denn die junge Frau und viele Freunde, darunter ich, mit 71 Jahren, werden ihr recht geben müssen: Ja, wir fühlen uns von Ignoranten umgeben, deren es Wurst ist, ob ihre Kinder Angst haben vor dem Kinderkriegen, vor den Szenarien, die TÄGLICH! und unverantwortlich REISSERISCH durch die Medien gehen, vor den Hitzetoten, weiteren Überschwemmungen wie im Ahrtal, austrocknenden Flüssen wie letztes Jahr das Flussbett des Rheins, kranken Bäumen, aussterbenden Arten, psychologischem Wahnsinn in den meisten Schulen während Corona … – ich höre auf. Der Mangel an Mitgefühl und Verhältnismäßigkeit scheint mir klar auf der Hand zu liegen. Machtworte haben zu oft wieder Vorrang vor Verständnis, genauso wie es deutsche Kinder und Jugendliche in den Nachkriegsjahren und danach noch erfahren hatten.

Leute, ich habe Sorge, was geschehen wird, wenn Ihr so weiter macht wie während der Corona-Krise begonnen. Trefft Ihr Entscheidungen gegen die pure Menschlichkeit über unsere Köpfe hinweg, die Köpfe der Kinder und Alten, der Ausgegrenzten und Armen, der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Dienstleisterinnen und Dienstleister, deren Schufterei wir für selbstverständlich halten und zugreifen? Die Gesellschaft würde sich tiefer spalten, mehr Menschen auf die Straße bringen, die die junge Frau wie im obigen Beispiel nicht für das Problem halten, sondern die Rechtsprechung und alle, die ihre Menschlichkeit wie einen Fluss vertrocknen lassen.

Bitte, lasst es nicht weiterhin zu, dass anders und kritisch Denkende verleumdet und sogar von ihrer Lehrtätigkeit an der Uni suspendiert werden. Lasst uns miteinander die Bücherverbrennungen der Nazis kontemplieren, zu bestaunen vor dem Alten Rathaus in Bonn, gar nicht weit von der Hofgartenwiese, DEM Ort der großen Demonstrationen. Meinungsvielfalt, kontroverse Diskussionen, wechselseitige Anerkennung …, das alles und noch viel mehr hält eine Demokratie lebendig. Man möchte sich wünschen, dass die Hofgartenwiese sich bald wöchentlich wieder fülle.

Gewisse Vortragssäle mit kritisch Denkenden und Hinfühlenden sind und werden voll und voller mit Vortragenden, die eine Botschaft der Geschwisterlichkeit haben, der Gastfreundschaft, der Solidarität, der Verständigung und damit geistiger und materieller Abrüstung. Gefüllt mit Menschen, die eine tiefere Wahrheit hören wollen, als in den meisten Zeitungen zu lesen ist, eine, die dem Missbrauch des Lebens, der Kinder, der Erde Einhalt gebieten will -, ob mit oder ohne Gott, jedenfalls mit Liebe.

 

Foto von Li-An Lim auf Unsplash