Es war dann doch ein ganzes Paket geworden: Vom 8.-12.11.2023 verbrachte ich vier Tage in der mich ansprechenden, bayrischen Stadt, die mir diesmal besonders gross erschien. Bis ich bei meinem Freund Terry klingelte, der ein kleines, dunkelrot gestrichenes Reihenhaus in einer ruhigen Seitenstrasse bewohnt, fuhr ich vom Bahnhof aus in einer Strassenbahn, stieg um, fuhr weiter, lief eine belebte Strasse entlang, die mich interessierte. An ihren Cafés und kleinen Geschäften, mit lockenden Nebenstrassen mit Kopfsteinpflaster und niedrigen Häuserreihen, lief ich langsam entlang, den Rollkoffer hinter mir herziehend, bis ich an die Kurve und Brücke gelangte, an der Terry wohnt. Mir würde dieser Teil des Viertels erstaunlich vertraut werden, so oft war ich, waren wir unterwegs. Manchmal auch mit irgendeinem Auto.

Die Haustür öffnete sich, und als ich eintrat, humpelte mir Terry freudig lächelnd und mit Krücken entgegen. Ich wusste von seiner Knie-Operation, die noch nicht lange zurücklag und ihren Tribut forderte. Terry führte mich geradeaus, liess mich ablegen, zeigte mir das Gästeklo, die Küche und führte mich eine Stufe hinab zum Gästezimmer. Ein eigenes Zimmer – juchhuu! Das Nötige war drin, es war hell und klar, ein Fenster zeigte zum Patio und darüber erahnte man eine Terrasse im ersten Stock.

Das Zusammenleben mit Terry ist völlig unproblematisch. Jeder sorgt für sich, darf sich aus dem Kühlschrank, am Inhalt der Schränke bedienen; Terry ist aber ansprechbar. Wer Essen für mehr Menschen als für sich selber macht, lässt etwas übrig oder sagt Bescheid. Nach kurzer Zeit hat man Ideen, welche Lebensmittel man von unterwegs mitbringen könnte. Terry kocht ausgezeichnet, oft auch für Freundinnen und Freunde. Nur sein Knie machte es weniger leicht, Einkäufe zu machen, länger zu stehen.

Am Donnerstag 9. November, Gedenktag der, hatte Terry alle Hände voll zu tun. Ein Freund des Hauses fuhr mich mit dem Auto in das Stadtviertel, wo die erste Stolpersteinverlegung gerade abgeschlossen war. Mehrere Steine zierten den Platz vor der Türschwelle – man kam nicht umhin zu bemerken, dass jeder Ankömmling über diese frisch glänzenden Quader steigen würde, in die die Lebensdaten jeweils eines Menschen eingraviert waren, mitsamt Geburts- und Todesort oder Todesart.

… Besonders beim lauten Lesen geht uns der Name unter die Haut. Aber auch beim Hinknien,um besser lesen zu können.

Eine zwanglose Atmosphäre war zu spüren, gesammelt, ernst, aber ohne straffes Ritual mit einer Leiterin oder einem Leiter. Dennoch wurde in einer gewissen Reihenfolge aus einem Buch gelesen mit den Kurzbiographien der aus diesem Haus Deportierten. Einige aus der Gruppe waren sichtlich vorbereitet und hatten Arbeitsplatz oder andere Verpflichtungen für diesen „Dienst“ verlassen, den sie ganz offensichtlich gerne verrichteten. Ich verbeugte mich vor denen, die hier, in diesem Münchener Haus gelebt hatten. Vor dem Haus und dessen Bewohnern verbeugte ich mich. Denn in München müssen alle im Hause zustimmen, wenn es um die Verlegung dieser Gedenksteine geht. Diese waren eine Zeitlang sehr umstritten. Dadurch, dass Terry und seine Freunde sich nicht einschüchtern liessen, verbindlich und freundlich blieben, soviel mir bekannt ist, ist der Streit nicht weiter eskaliert. Wo es um Leben und Tod geht, sind die Ansichten oft verhärtet und müssen mit grösstem Respekt zur Kenntnis genommen werden, zumindest dann, wenn sich die andere Seite auch um Verständigung bemüht.

Berührend fand ich, dass ich auch lesen durfte, was zu einem Namen, einem Menschen, geschrieben stand. Der junge Mann mit der Wollmütze drückte mir das Buch in die Hand.

Ich erinnere mich, herumgelaufen zu sein in diesem gutbürgerlichen Viertel, wir suchten nach einem Heissgetränk und einer Toilette, im warmgoldenen Novemberlicht – bei sanft zu Boden sich wiegenden Blättern.

Jemand fuhr mich zur nächsten Station „Stolpersteine“, ich muss gestehen, dass wir im Stau standen und uns die ganze Zeit über ausgetauscht haben. Ein Arbeiter der „guten, alten Zeit“ kutschierte mich, in einer seiner Pausen, ein Freund von Terry, der bei zahlreichen kreativen politischen Aktionen dabei war. Eingestimmt und inspiriert waren wir beide, da liess er mich aussteigen, und ich erblickte sie schon: Freundinnen und Freunde des Stolperstein-Gedenkens. Diesmal nicht direkt an einer Hausschwelle, sondern vor einem Zaun, parallel zum Gehsteig. Jemand mit Hut kniete auf dem kalten Bürgersteig und betätigte sich mit geübten Händen. Die goldglänzenden Steine waren schon alle versenkt, aber die Fugen mussten noch mit Erde festgeklopft, die Oberflächen der Quader sollten eine glatte Ebene bilden. Der Mann erhob sich vorsichtig, und – ich erkannte den, den ich bislang nur von Fotos kannte: Günther Demnig, den Erfinder, Hersteller und Künstler der „Stolpersteine“. Mir imponieren gute politisch-künstlerische Ideen, die zu Aktionen führen, die viele Menschen einbinden: Alt und jung, Menschen aller Sprachen, Jüdinnen und Juden. Von fern und nah kommen sie angereist, um sich selber zu unterrichten, wo ihre Lieben gelebt hatten. Sie schätzen es, „vor Ort“ etwas aus den letzten Jahren der Deportierten zu erfahren. Die Zuwendung von meist deutschen Freundinnen und Freunden des Projektes zu erleben, die sich auf verschiedenste Weise ausdrückt, wird sicherlich als bewegend empfunden. Was als kleine Graswurzel-Bewegung begonnen hatte, war inzwischen zu einer international wachsenenden, dezentralen Bewegung angewachsen, deren einender Kern die Stolpersteine sind. Um sie zu erwerben, zu verschenken und verlegen zu lassen, sind ein paar Spielregeln einzuhalten.

Während ich schreibe, wird es langsam wärmer, nach diesem Wintereinbruch Ende April. In München hingegen wurde es kälter, nicht nur 2023, sondern auch 1944, als die Jüdinnen und Juden aus ihren Häusern vertrieben und nach Dachau geschickt wurden. Doch erst einmal hören wir gebannt Terry‘s Freund und Kantor, Rabbiner…. zu, der ergreifend für all diejenigen singt, die zu Tode gekommen waren. Ich fand den Gesang würdig und freute mich für die Münchener, die es offenbar zeitweise nicht leicht hatten, den Gegenwind der Synagogengemeinde zu spüren, auszuhalten und ihm doch auch standzuhalten. Natürlich würde ich auch Zahlen hören, am Abend und an den folgenden Tagen, doch die kann ich mir nicht merken. WAS ich jedoch spürte, war die innere Beteiligung derer, die dabei waren, auch bei den Veranstaltungen, die noch folgen würden.

Was ich genial an den Gedenksteinen finde, ist, dass sie sinnlich erfahrbar sind, Wert ausstrahlen (Gold!), dass man mit ihnen arbeiten muss, und dass selbst junge Kinder begreifen können, wofür jeder Stein und die Aktionen drumherum stehen. Ich sah Fotos und selbst aufgenommene Videos von Jugendlichen, die voller Hingabe bestimmte Steine aufsuchten und diese putzten. An solchen Stellen der Stadt Gebete, Gedichte zu lesen, zu singen oder im Kreis zu sitzen und sich auszutauschen, ist heilsam für alle. Man kann pilgern, von Strasse zu Strasse, Stadtteil zu Stadtteil, Namen laut lesen, diese im Herzen bewegen, während autobiographische Texte aus der Nazizeit in Auszügen vorgetragen werden.

Am Abend ging es mit unserem Programm im Ägyptischen Museum https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-stolpersteine-aegyptisches-museum-1.5091221 weiter, einem architektonischen Juwel. Freunde von Terry waren schon dabei, ein paar Stehtische vorzubereiten, mit Getränken und Snacks. Es schien eine „Familie“ von meist älteren Ehrenämtlern zu sein, die sich diesen und weiteren Aktionen wie „Faces“ widmeten. Im Museum begegnete ich Günther Demnig noch einmal, diesmal wechselten wir ein paar Worte. Später würde er eine Rede halten, die mich bewegte. Auch er hatte einiges an Widerspruch auszuhalten und legte ruhig und ohne Pathos Zeugnis ab. Natürlich hatte auch er Selbstzweifel, hin und wieder, wurde jedoch immer wieder eingeladen, ermutigt, getragen von zahlreichen Freundinnen und Freunden und blieb sich einfach selber treu. Wenn er irgend konnte, verlegte er jeden einzelnen Quader selber.

Herr Dr. Arnulf Schlüter, der Leiter des Museums, sprach als Erstes, persönlich, bewegend. Stolpersteine liegen auch im Erdgeschoss des Museums, berichtete er, und ergänzte die Geschehnisse dazu. Für mich wurde lebendig, und es erschreckte mich wieder aufs Neue, wie viele Menschen sich als Juden zu „outen“ hatten und ab da um ihr Leben fürchteten. Was sich im Abstand von den Holocaust-Gedenktagen immer relativiert , – weil es Ströme von Flüchtlingen gab und gibt -, am 9. November wie auch an anderen Tagen, im Januar zum Beispiel, sucht es mich heim: Das Entsetzen. Die Traurigkeit. UNSERE Nachbarn, muss ich immer wieder denken.
Foto von den Stolpersteinen. Terry. Günther. Familie.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-stolpersteine-geschaendet-polizei-staatsschutz-1.6066924?internal-referrer=www.sueddeutsche.de%2Fthema%2FStolpersteine

Tagebucheintrag vom 5.5.2024
Gestern las ich eine scharfe Kritik an den Stolpersteinen „per se“. Gleich zu Beginn der sich ausweitenden Verlegungen teilte mir eine jüdische Bekannte ihren Widerstand dagegen mit. Auf oder gar in die Erde und so, dass man auf die Namen treten könnte … das löste bei ihr Abscheu aus. Der bloße Gedanke… Ich überlege: Ganz unrecht hat sie nicht. Tafeln and den Hausmauern erschienen ihr vielleicht angebrachter. Andererseits existieren viele Häuser gar nicht mehr oder gar nicht mehr, wie sie einmal waren. Während die Darstellung, wie viele Jüdinnen und Juden in einer bestimmten Straße gewohnt hatte, doch erstaunlich unter die Haut geht. Vielleicht, wenn wir uns alle mehr bemühen würden, die Gedenksteine zu putzen, zu schmücken mit einer Blume, einer Kerze…, dann würde nur noch ein paar ganz Eilige und Unempfindliche (in dem Moment wenigstens) darauf treten, was wir leider ohnehin nicht verhindern können, auch bei uns selber nicht. Wenn wir ehrlich sind. Dennoch überwiegen die guten Beweggründe und das ausgelöste Nachdenken und Einfühlen schon vor und während des Installierens. Man hat die Namen, die Geburts- und Todesdaten und der deportierten Menschen dem Vergessen entrissen. Auch wohin sie geschleppt wurden, wurde eingraviert, und damit wurde die ruchlose Tat bekannt, erhielt einen Ort und einen Kontext. An diesen Orten konnte, wurden sie mit Namen angerufen, man las ihren Werdegang vor, ihre Verdienste, ihre Bedeutung für Familie und Gemeinschaft. Es ist nie zu spät, ihrer zu gedenken, ihre Bedeutung und Würde aufzuzeigen (verloren war sie nie!). Wir begriffen kaum das Ausmaß, ahnten es jedoch, des ungeheuren Verlustes für ihre Nachbarschaft, ihren Stadtteil, die für die ganze Stadt und das deutsche und letztlich europäische Gemeinwesen.

In diesen Momenten fragt man sich, als geladener Trauergast, aktiv oder passiv, wie man diese Erschütterung, diesen ungeheuren Verlust an Leben, Schönheit, Kreativität und Menschlichkeit jemals verkraften soll. Ich sage bewusst: Verkraften, denn von „meistern“, „überwinden“ oder gar „vergessen“ kann nicht die Rede sein.
Unser kollektives Unbewusstes hat diese Taten und Leiden gespeichert. Nur durch aktive Reue und Umwandlung der Herzens werden wir nicht-jüdischen und nicht im Widerstand tätigen Deutschen den Fluch dem Meer des Vergessen.Wollens entreissen und ihn, Welle für Welle, in Segen tiefen Verstehens und letztlich Umarmens umwandeln.

Deshalb hoffe ich, dass sich auch andere kritische Stimmen aus der Synagogengemeinde beruhigen werden, weil sie das ehrliche Bemühen sehen und schätzen lernen, Trauerarbeit öffentlich erfahrbar zu machen.

Am Abend des 9.11. waren die Freundinnen und Freunde von Terry im ASAM-Gymnasium https://www.asam-gymnasium.de/fachschaften-2/geschichte/ eingeladen, das man zu Fuss von seinem Haus aus erreichen konnte. Ich erinnere kaum, wie ich dahin kam. Mir fehlten die Worte während der Veranstaltung, die von jeweils zwei Schülern und zwei Schülerinnen selber gestaltet waren. Sie standen ernst mit Kerze, paarweise, traten aus dem tiefen Dunkel nach vorne, stellten die Kerzen ab, lasen abwechselnd, mit genügend Pausen. mir fehlen sie hinterher. Der Schulleiter war schwer beeindruckend. Inzwischen habe ich mich auf der Homepage der Schule umgesehen und muss sagen: So ein kreatives, einleuchtendes Lehr-Angebot habe ich noch nie gesehen. Die ernste Dichte, die ich erlebte, die Atmosphäre des Veranstaltungsraumes, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Die Komposition, die mit einem eindrucksvollen Konzert, ungewöhnlichen Solo-Singstimmen endete. Die Begrüssungsrede des Schuldirektors, die Liebe, Wertschätzung, Verständnis für seine Schüler, den Erziehungsauftrag wie für die tägliche Arbeit aktiven Gedenkens und Schützens unserer jüdischen Geschwister …- das alles war so bewusst und ruhig vorgetragen, dass sich meine Reise alleine schon hierfür gelohnt hätte!

Die SchülerInnen hatten sich, wenn ich es richtig erinnere, aussuchen dürfen, welche Originaleintragungen aus Tagebüchern, Briefen, Literatur von jüdischen Autor:innen sie für uns aussuchen und lesen würden. Immer ging es um ein „Vorher“ und ein „Nachher“. Vor dem 9. November. Vor der Deportation. Eine so grässlich-rassistisch-motivierte Traumatisierung: muss sie nicht beinahe zwangsläufig zu einer derartigen Spaltung führen, im Dienste des Überlebens, dass die gespeicherte ohnmächtige Wut sich entladen muss, sobald der „richtige“ Anlass gegeben war? Wer sich hier angesprochen fühlt, mag den Faden weiter spinnen.
https://www.asam-gymnasium.de/

10.11.2024
Am Freitag Vormittag bin ich im Viertel herumgelaufen, habe eingekauft, ein wenig für Terry, denn seine Möglichkeiten, mit Krücken zu arbeiten, zu kochen, waren begrenzt. Und dabei kochte er, und zwar phantastisch! Ich erinnere mich an Shakshuka, vom ich mir hätte nehmen können…, ich traute mich noch nicht. HABE ich eingekauft für ihn, oder wollte ich das nur? Ich erinnere mich nicht. Jedoch habe ich Bilder vor meinem geistigen Auge, von dem reizvollen Stadtteil, den zum Teil mit Kopfsteinen gepflasterten Nebenstrassen, in denen ich flache Reihenhäuser erblickte, die mich an Holland erinnerten, an Erlangen. Ich schlug bei Wikipedia nach und staunte: Ich bin in Au-Haidhausen, einem „trendigen Viertel an der Isar“, lese von schattigen Biergärten und Grünflächen“. Allein in diesem Viertel mit einem interessanten Laden oder Café am anderen gab es derartig viel zu entdecken…., dass ich beschloss, wieder zu kommen. Hinterher erst wurde mir deutlich, dass ich unbedingt Zeit zum Verarbeiten des Erlebten gebraucht hatte. Nahtlos nach Dachau zu fahren, wie ich es eigentlich geplant hatte – das ging einfach nicht. Morgens länger sitzen, ziellos laufen, schreiben, lesen, mich mit Terry unterhalten – irgendein interessanter Freund wollte ein Interview mit ihm, und ich war ans Telefon gegangen … das war dran, und am Abend war ich zu „FACES“ geladen, irgendwo in der Innenstadt, hoffentlich würde ich das finden. „Kulturzentrum Gasteig“ – kann ja nicht so schwer sein. War es aber doch. Welcher Ausgang war zu nehmen in dieser grossen Stadt im beginnenden Winter? Ich fühlte mich verloren, irrte herum.
https://www.gasteig.de/

„Faces ist original mein Erfindung“, erklärte Terry mir. Natürlich war ich neugierig, wie ich mir eine solche Abendveranstaltung vorstellen sollte. Bislang hatte ich zwar Photos und Videos gesehen, von an Häuserwände projizierten Portraits derjenigen, die in dem angestrahlten Haus gelebt hatten. Aber die Stimmung, die Technik – das konnte ich mir nicht vorstellen. Diesmal wurde ich nicht gefahren oder irgendwie begleitet, und entsprechend lief ich mir die Hacken wund, in Kälte und Regen. Als ich dann endlich das wackere Trüppchen traf, war ich begeistert von deren Geist. Viele hatten beigetragen zur Veranstaltung, irgendetwas musste immer organisiert, geschleppt werden, es gab eine nicht zu strenge Choreographie, wer wann sprach, es wurde auch gesungen, und sehr weit oben, so weit, dass ich die Bilder anfangs gar nicht gesehen habe, erblickte ich sie dann: Gegen das Schwarz des Nachthimmels abgehoben diese berührenden Portraits derjenigen, die nie vergessen wollten. Wir erfuhren von jeder Person Daten aus deren Leben, so dass sie an Leben für uns, Zeuginnen und Zeugen, gewannen.
https://www.linkedin.com/posts/terry-swartzberg-57634712_faces-for-the-names-jewish-life-in-schwabing-activity-7148929410241347584-oGU8

Mit war es ein bisschen zu laut. Das nahe Rauschen des Straßenverkehrs, die Gespräche untereinander stritten sich meinem Bedürfnis, weniger Photos zu sehen und sie zu „kontemplieren“. Zum ersten Mal meldete sich die Zen-Übende in mir, die am liebsten eine Veranstaltung der Stille daraus gemacht hätte. Auch bei den Stolpersteinen hätte ich länger verweilen wollen, „sitzend, gehend, sitzend, vom Herzen teilend“.

Das bleibt mir doch noch! Ich werde es in mir bewegen und in Bonn nach Stolpersteinen Ausschau halten, die durch ihre bloße Anzahl oder den Ort schon eine Geschichte erzählen.

Terry schlug mir vor, gar nicht so weit bis nach Dachau zu fahren, am Samstag. Ein sehr wichtiger Friedhof würde fast mehr „hergeben“, seiner Meinung nach. Meine Google-Recherche gab ihm recht. Jedoch stand meine Entscheidung fest: ein ganzer Tag in Dachau müsste sein. Für meinen Freund. Für alle Menschen, von denen wir am 9.11. erfahren hatten. Ein Großteil von ihnen musste nämlich nach Dachau gehen. Gestern ergaben meine Recherchen, dass es die Männer waren, die in dieses KZ geschickt wurden. Diese überaus schockierende und traurige Nachricht, überbracht von Schulkindern des ASAM-Gymnasiums, würde mich motivieren und begleiten an meinem vorletzten Tag in München.

Der von Terry vorgeschlagene Friedhof:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-gedenken-ns-opfer-ehrenhain-1.5397849

Hinterher musste ich Terry recht geben: Beim nächsten Besuch in München würde ich den Perlacher Friedhof UND die Gedenkstätte Dachau aufsuchen, aber nur mit einem Reiseführer und zwei Anliegen, die ansatzweise tief spüren konnte: Lange Gehmeditationen praktizieren. Zwei Zeremonien in Dachau veranstalten, mit langer Sitzmeditation, Rezitation (Zazen), Schreiben intuitiv, Council. Ich « sehe » ein durchstrukturiertes Angebot von zwei Tagen, evtl. zweieinhalb, inklusive einer Einheit „Stolpersteine“.

Zahlreiche Widerstandskämpfer der Weißen Rose sind auf demselben Friedhof bestattet.
https://www.hallo-muenchen.de/muenchen/ost/giesing-widerstandskaempfer-zwangsarbeiter-bayerns-einziger-spd-ministerpraesident-11782053.html

Es war nicht leicht gewesen, am Nachmittag des 12. November abzureisen. Hätte ich mir die Mühe machen sollen, diesen Friedhof zu besuchen? Ich habe es nicht getan. Stattdessen stieg ich früher als nötig aus der Straßenbahn aus, weil ich Lust hatte, durch die Straßen zu laufen, um zu erleben, wie sich ein Sonntag in der Münchener Innenstadt anfühlt. Die Straßen ohne Verkehr waren voll mit Familien, und ich bewunderte einige architektonische Perlen. Nächstes Mal würde ich Zeit in einem der Museen verbringen wollen. Den empfohlenen Friedhof besuchen und etwas für Terry und einen Freund kochen. Vielen Dank für deine Gastfreundschaft, lieber Freund!

Danke Terry, für Deine und Gunters so inspirietende Arbeit, mit Herzblut und versöhnlicher Freundschaft, auch und besonders mit uns Deutschen und Deutschsprachigen!

Danke Terry, für Deine und Gunters so inspirierende Arbeit, mit Herzblut und versöhnlicher Freundschaft, auch und besonders mit uns Deutschen und Deutschsprachigen!

Stolpersteine und „Faces“: Mit Terry Swartzberg in München – 8.-12.2023

Monika Winkelmann
Autorin, SchreibCoaching, Begleitung
Gruppenpädagogik (TZI- Ruth Cohn)
Poesiepädagogik (zert. Institut f. Kreatives Schreiben-Prof. Lutz von Werder)
Meditation & Achtsamkeit: Zen intensiv seit 2011
Zenpeacemaker Orden (Bernie Glassman Roshi)
Pilgerreisen