Eines Abends im vergangenen Jahr kam Christa (Christa ist nicht ihr richtiger Name) nach dem Schreibkurs-Abend in der Volkshochschule auf mich zu und sagte: Kann ich Dich einen Moment sprechen? Klar, sagte ich, und wir warteten, bis alle gegangen waren. Es wird ziemlich genau vor einem Jahr gewesen sein. Dann brach es aus ihr heraus, während Tränen flossen: Ich möchte dasselbe machen wie Du.

Wow! Sagte ich perplex und nahm Christa in den Arm. Gerührt war ich auch noch, von so viel Offenheit und Vertrauen. Vor kurzem war mir der Gedanke gekommen, alles, was mir am Herzen liegen würde, meine beruflichen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen, aber vor allem: Die Vision dahinter, wie ein Füllhorn auszuschütten. Und nun werde ich sogar darum gebeten. Das geht mir in letzter Zeit immer öfter so. Mir war schon aufgefallen, dass Christa, auch wenn es ihr nicht so gut ging oder sogar schlecht, pünktlich zu den Kursabenden erschien und sehr interessiert bei der Sache war. Ihre Rückmeldungen waren scharfsinnig und genau, und das gefiel ihr mit am meisten: Wie ich zu “Heilsamer Resonanz” aufforderte und was diese bewirkte. Nicht nur bei ihr selber. Christa fühlte sich gesehen, als Mensch, aber natürlich auch wertgeschätzt in ihrer ureigenen Schreibe.

Das kommt mir gerade recht, erwiderte ich. Ich bin auf dem Sprung, vielleicht genau das, was Du suchst, anzubieten. Wir unterhielten uns noch eine Weile, und ich gab zurück, dass Christa nach meiner Einschätzung genau die Qualitäten mitbrächte, die frau oder mann bräuchte: Ihr Germanistik-Studium könnte theoretisch hinderlich sein, weil es den Zensor oftmals so mächtig werden liesse, aber ich war gewiss, dass Christa gerade mit abgeschlossenem Studium – was man nicht braucht! Das ist mir sehr wichtig zu sagen – , ihrer Empathie, der hohen Reflexionsfähigkeit und Sprachsensibilität sowie ihrer kreativen Schreibe ihre Zielgruppe sowie ihr Angebot finden würde. Wir waren beide sehr berührt.

Als ich mich in den kommenden Wochen hinsetzte, in meinem Lieblings-Bistro “Extro”, flossen mir die Module, deren Anzahl und Überschriften, das Format aller Module und der beiden Intensiv-Wochen sowie die zusätzlich notwendigen Trainings, nur so aus der Feder. Im Grunde ging alles sehr schnell. Ein neues Seminarzentrum fand sich ganz in meiner Nähe, ich telefonierte mit dem Besitzer und verabredete acht Termine für zwei Jahre mit ihm sowie mit dem Haus am Rande Bonns, wo ich mit meinen Studenten und Studentinnen mehr Zeit am Stück – fünf Tage –  verbringen würde. Beide Räumlichkeiten sind geeignet für Rollstuhlfahrer*innen, was mir u.a. sehr wichtig ist.

Zwei Monate später lagen die Flyer vor, die mein neuer Webdesigner Andreas Paus entwickelt bzw. umgesetzt hat, in sehr ansprechender Weise. Im Januar und Februar fanden die Coaching-Treffen der inzwischen Angemeldeten mit mir statt sowie ein erstes Training in Autobiografischem Schreiben, und Mitte Februar 2019 saßen sechs zukünftige Poesiepädagoginnen mit mir im geräumigen, hellen Seminarraum des Gesundheitszentrums “natur pur!” um eine gestaltete Mitte herum. Nicht nur Christa und ich waren überglücklich und aufgeregt, sondern alle anderen auch. Von den sechs Teilnehmerinnen wohnen fünf in Bonn, und eine in der Nähe von Trier. Diese wird immer eingeladen, bei einer der Peers zu übernachten, was sie auch fast immer gemacht hat. Ich habe daran gesehen, dass man gut aus anderen Regionen Deutschlands kommen und teilnehmen kann, besonders, wenn man sich den auf das Wochenende folgenden Montag zusätzlich freinehmen kann.

Tandems haben sich gebildet, und es ist sehr verbindend und effektiv, sich nach Möglichkeit wöchentlich miteinander zu Zweit nach bestimmten Richtlinien auszutauschen. Dadurch, aber auch durch die lebendige Gruppenarbeit, die die Leiterin anwendet, lernen die Teilnehmer*innen einander gut kennen und unterstützen sich gegenseitig.

Die Poesiepädagogische Ausbildung will Menschen, Frauen und Männern, die Freude sowohl an Literatur und Poesie, vor allem am Selberschreiben haben, aber auch pädagogische/begleitende Neigungen in sich verspüren oder schon Erfahrungen darin sammeln konnten, darin unterstützen, ihr Kernangebot zu finden und dieses neben- oder hauptberuflich auf den – im weitesten Sinne – psychosozialen “Markt” zu bringen. Poesiepädagogen arbeiten in allen nur denkbaren Institutionen, in denen Kinder, Familien, junge und ältere Erwachsene lebensgestaltend lernen, ihre Persönlichkeit entwickeln, Krisen gestalten und überwinden wollen, neue künstlerische, meditative, kommunikative oder einsichtsfördernde Techniken und Methoden erlernen und üben wollen. Mann oder Frau kann einen schon vorhandenen Beruf mit dieser neuen Qualifikation anreichern und verbinden, die schriftstellerische Kunst anderen zugänglich machen und/oder etwas ganz Neues, das die Person in ihrer Ganzheit sieht und fördert, beginnen und mit der Zeit verfeinern.

Das erste Jahr

Dieses vermittelt mit 4 Wochenendmodulen und einer Intensivwoche Basiswissen über: Schreiben in verschiedenen Genres UND in der Gruppe, was das besondere Markenzeichen dieser Ausbildung ist. Selbsterfahrung und Reflexion stehen im Mittelpunkt dieses Jahres, “Heilsame Feed-Backs” nehmen und geben, Grundlagen funktionaler Gruppenarbeit bemerken, reflektieren und steuern lernen. Poesiepädagogische Methoden und Interventionen erkennen, reflektieren, in Kleingruppen anwenden. Meist werden zusätzliche Termine, wenn möglich, für eine tragfähige Basis in Autobiografischem, (Selbst-)therapeutischem, Intuitivem, Kontemplativem Schreiben angeboten bzw. Übungen dazu. Ebenso werden durch regelmäßige Stille-Übungen während der Module und Trainings, und pro Jahr einem Meditations-Tag/WE, konkrete Anregungen gegeben, wie jedeR sich eine Meditations-/Achtsamkeitspraxis aufbauen kann, die stimmig ist.

Das “+” bei PPA: Eine regelmäßige, bescheidene oder ausgedehnte Meditationspraxis, wie holprig sie sich auch zu Beginn noch anfühlen mag, ist mir wichtig. Ebenso ein Bekenntnis zu einer passenden “Körperarbeit”, die das Beiwort “regelmäßig” verdient. Warum, oder besser gesagt, wozu? Meditation vertieft uns, macht uns mit unserem Zentrum bekannt, wir lernen uns kennen und üben unseren Geist zu beruhigen, zu „zähmen“. Diese Praxis, der auch der Tiefenentspannung dient, hilft dem Schreiben: Unsere Schreibideen werden beständiger, der Schreibfluss fließender, die Sprache authentischer. Außerdem lehre ich ein „Schreiben aus dem ganzen Körper“: Wie soll das gehen, wenn wir Teile unseres Körpers kaum wahrnehmen, vielleicht ablehnen, uns um „taube“ Regionen noch nicht kümmern können? Alles geht Hand in Hand: Während unsere „bodymind“- Energien wieder leichter fließen, sprudeln auch unsere Worte kraftvoller.

Diejenigen, die sich für PPA+2020/22 anmelden, finden in ihrem Flyer noch einen zusätzlichen „Plus-Punkt“ (zusätzlich zu Meditation und Körperarbeit), und zwar „Kommunikation: Grundlagen von ‚Wesentlichem Zwiegespräch‘ (Michael Lukas Moeller) und ‚Gewaltfreier Kommunikation‘ (Marshall Rosenberg)“. Hierzu ist es nicht notwendig, Trainings zu besuchen – hilfreich ist es natürlich immer, auch bei anderen Trainern! Ich werde zunehmend Vorträge zu wichtigen Themen ins Netz stellen.

 

Das zweite Jahr

Auf der einen Seite beginnt das zweite ähnlich wie das erste Jahr: Statt eines Trainings in A/S biete ich eines in Selbst-therapeutischem Schreiben (T/S) an und nehme Termine für Coachings entgegen. Andererseits wurden während des 4. Moduls im November Konzepte und Ausschreibungstexte für die erste eigene Schreibgruppe entworfen, die mindestens drei Teilnehmer*innen haben und mindestens 6 Treffen umfassen sollte. Deshalb nehme ich an, dass die meiste Energie, auch wenn es um die Zeit von vor Weihnachten und nach Neujahr herum geht, auf dieses spannende Unterfangen gerichtet sein wird. Manche von der ersten PPA-Gruppe saßen nämlich schon während des zweiten Moduls in den Startlöchern und konnten kaum abwarten, dass es endlich losginge im oben beschriebenen Sinne!

Rekrutierung von Teilnehmern, Leitung und Aufbau einer Schreibwerkstatt sowie Durchführung eines erfolgreichen Kursangebotes werden im Mittelpunkt der Module 5-6 inklusive der Intensivwoche stehen. Oft wird auf das Thema erfolgreicher, funktionaler, geschickter, d.h. professioneller Gruppenleitung zu wenig Wert gelegt, auch bei Weiterbildungen für Schreibwerkstättenleiter*innen. Ich habe sogar schon von einer einwöchigen Ausbildung von Poesietherapeutinnen gehört. Wenn das stimmt – ich zweifele das Wort derjenigen, von der ich es gehört habe, nicht an -, dann halte ich dies für schlicht fahrlässig und unredlich. Jedoch gibt es auch sehr gute und professionelle Aus- und Weiterbildungen, man sollte sich die Ausbildung des Trainers/der Trainerin und den Inhalt des Angebotes allerdings sehr genau ansehen und sich eine „Zweitmeinung“ dazu einholen.

Schreibwerkstättenleiter*innen sollten ihre Stärken und Schwächen kennen, sich deutlich und selbstbewusst zu ihnen bekennen und gegensteuern können. Sie sollten Wirksamkeit und Grenzen ihres poesiepädagogischen Handelns kennen bzw. gründlich erforschen wollen. Ebenso sollten wir Krisen als solche erkennen, Handlungsmöglichkeiten kennen und uns darüber austauschen.

Vom 7. bis 8. Modul ist spätestens der Zeitpunkt für das Schreiben der Gruppenprozessanalyse gekommen. Diese ist zusammen mit der Durchführung eines Kursangebotes – das auch in privaten Räumen stattfinden darf – Bedingung für die Zertifizierung. Während der gesamten Zeit und in den Modulen wird weiter geschrieben, werden wir uns vom Herzen her austauschen, Leitungsstile und Interventionen üben, Konzepte diskutieren, die Verbindungslinien zwischen Beruf, Berufung und Ausbildung in den Blick nehmen, Unterstützung anbieten oder anregen, wo wir nur können.

Der Abschluss

Hier darf und wird gefeiert werden. Wir werden intern feiern und nach Möglichkeit während des letzten Moduls oder später, Freunde und Verwandte zum Feiern und Vorstellen unseres Angebotes einladen. Dies wird jedoch mit jeder Gruppe eingehend besprochen, so dass sich alle wohl und sicher bei dem Fest fühlen können.

Und nach PPA*?

Zunehmend biete ich „Poetische Intervision“ bzw. „Poetische Supervision“ an. Ich kann mir gut vorstellen, regelmäßig und/oder bei Bedarf Angebote für die zertifizierten Poesiepädagogen und -pädagoginnen (und evtl. andere Schreibgruppenleiter*innen) zu machen, in denen sie ihre „Fälle“ darstellen, die sie als unbefriedigend oder anderweitig schwierig erlebten, und die Gruppe „poetisch heilsam“ Resonanz gibt. Ebenso kann ich mir vorstellen, dass das gesamte Feld poesiepädagogischen bzw. -therapeutischen Handelns diskutiert und tiefer erforscht wird. Meiner Wahrnehmung nach wird auf der einen Seite etwas zu salopp mit dem Schreiben in schwierigen Lebenssituationen umgegangen, ohne dass die Leiter*innen sich schreibend durch ihre eigenen Untiefen hindurch gearbeitet und diese Prozesse reflektiert hätten. Auf der anderen Seite wird zu viel Angst geschürt vor einem preiswerten Medium, dem gezielten Schreiben und Lesen, und deren präventiven und durchaus auch befreienden, wenn nicht sogar verwandelnden Potentials.

Um die Gesellschaft nachhaltig mit einem hoch-kreativen Medium, dem Schreiben,  befruchten zu können, brauchen wir Menschen, die bereit sind, sich in Literatur/Poesie, eigenem kreativem Schreiben sowie professioneller, achtsamer Gruppenleitung – bzw. Beratung/Begleitung/Coaching in 1:1 Settings –  weiter zu bilden.