Man traut sich kaum, das japanische Wort „ Kintsugi “* leichthin zu verwenden, das als Technik einer besonders feinen Porzellanreparatur sehr bekannt geworden ist.
Stets waren auch künstlerische Darbietungen zu sehen oder zu hören oder es wurde darauf hingewiesen. Jede:r war offensichtlich eingeladen, das Seine oder Ihre beizutragen. Disziplin, Stille, Ausdauer waren gepaart mit künstlerischem Selbstausdruck, politischer Aussage sowie mit Ausgelassenheit und Feier. Ich finde das Angebot ungeheuer kraftvoll und wegweisend, weil viele Menschen darin erreicht werden können, auch die, die keine Zeit haben und das Geschehen nur bezeugen.
Gestern nun sah ich ein Foto, das mich in den Bann schlug. Nicht nur die Umrisse des erschossenen Mannes waren mit einem kräftigen goldenen Strich nachgezeichnet, sondern auch die „Verwundungen“ der Straße: Risse, Einschusslöcher, vielleicht Stellen, wo Blutlachen entstanden waren, wurden mit Gold wie mit Balsam bestrichen. Mir war nach Weinen, aber ohne tatsächlich weinen zu müssen. Eine heilige Empfindung. Ich kann mich nicht entsinnen, eine solche ästhetische Erfahrung von Heilung im öffentlichen Raum gemacht zu haben. Joseph Beuys mag so etwas Ähnliches ausgelöst haben. Auch Christo und seine Gefährtin, vielleicht.
Noch während ich dem nachspüre, bebt mein Herz ganz zart.
* „Kin“: gold, golden; „tsugi“: reparieren, flicken
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