Namen und Kurz-Bios der Dichter*innen und Vortragenden:
Christine Lang
Regina Pietsch
Ingo Thies
Jan Vanhöne
Monika Winkelmann
Christine Lang: Als Mutter von 5 Kindern und mit dem Beruf der Sozialpädagogin ist die Begegnung mit „Schreiben“ unausweichlich. Nicht aber die Anerkennung dafür, dass „man“ selbst zur Schreibenden werden kann. Selbst überrascht und beginnend mit der „Kaliope“- FrauenSchreibSchule durfte ich dieses Geschenk langsam und beständig auspacken.
Auf diesem Weg gibt es WegbegleiterInnen und immer wieder die Möglichkeit das Geschriebene vorzutragen. Dazu gehört Mut, und Mut ist eine wichtige Komponente in der Eigenentwicklung. Der Weg zu mir Selbst und zu den Anderen.
Schreiben bedeutet für mich eine zärtliche Aneignung meiner so lange verstummten Sprache in der Kindheit und weit in die junge Erwachsenenzeit hinein. Mein Antrieb, trotzdem nicht still zu bleiben, hat zwei Quellen: das Leiden und die Gerechtigkeit. Ich saß oder stand oft vor dem großen Kreuz der katholischen Dorfkirche. Jesus am Kreuz hat mein Herz berührt und verbunden die Suche nach einem Sinn. Später kam in der Schule Geschichte als Fach. Der Nationalsozialismus hat meinen Intellekt geweckt in der Jugendzeit und die Auseinandersetzung mit meinen Eltern: Wie konnte das Morden, das Schlachten, Folter, Verhungern lassen und all diese unaussprechlichen Grausamkeiten geschehen und nicht verhindert werden? Ich bin zuerst Sozialpädagogin geworden – als Beruf und Berufung, dann Mutter, dann habe ich angefangen zu sprechen. Jetzt werde ich Schreiben. Langsam, mich annähern – den die Worte reihen sich ganz anders aneinander als Gesprochene. Und sie dürfen bleiben. Es brannten die Bücher. Es war und ist logisch, dass der Weg mich mit meiner Schreiblehrerin Monika Winkelmann nach Auschwitz/Birkenau führte. Eine Reise von der ich ahnte, dass sie mich verändert.
Regina Pietsch, 1962 geboren, interessiert sich seit ihrer Schulzeit für Geschichte im Allgemeinen und ganz besonders für die jüngere deutsche Geschichte. Beide Großväter dienten im Krieg. In der Familie wurde so gut wie nie darüber gesprochen, Reginas Wissensdurst wurde dadurch immer größer. Die Erfahrungen in einem Schreib-Retreat unter der Leitung von Monika Winkelmann gaben den Impuls, den lang gehegten Wunsch zu erfüllen: eine Reise nach Auschwitz. In der kleinen Gruppe fühlte sie sich gut aufgehoben. Ruhe und Achtsamkeit halfen die Eindrücke schreibend zu verarbeiten. Ihre Ängste, Einsichten und Gefühle, die in Auschwitz auflebten, teilt sie nun gern mit anderen Menschen. Bereits wenige Wochen nach der Reise organisierte sie gemeinsam mit Monika und Theresa eine Lesung mit dem Titel: „Ich habe Angst vor Rudolf Höß in mir“.
Auch in ihrem ersten zeitgeschichtlichen Roman widmet Regina Pietsch sich dem Leben der Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus.
Ingo Thies
*1975 in Niebüll, Schleswig-Holstein
Geschwister: Ein Bruder, derzeit wohnhaft in Bad Schmiedeberg nahe
Wittenberg.
Gymnasium in Husum, Abitur 1995
Zivildienst 1996-1997 in damaliger Psychiatrie Breklum
Studium der Physik in Kiel, Diplom 2004
Promotion Astrophysik in Bonn, 2011, seither wissenschaftlicher
Mitarbeiter ebenda.
Seit 2010 Mitglied in der GCJZ Bonn
Seit 2020 Presbyter in der Friedenskirche Bonn-Kessenich
2022 Beginn Zen Meditation mit everydayzen-Sitzgruppe Monika Winkelmann. Bald kamen „Kontemplatives Schreiben“ und Aktionen „Sei ein Mensch“ (Margot Friedländer) dazu:
2023: Zeugnis Ablegen in Stille, Gebet und Schreiben über die Gewalt in der Psychiatrie in der Nazi-Zeit der LVR-Klinik-Bonn (mit Bezug auf „Fälle“ in der eigenen, erweiterten Familie und im Bekanntenkreis)
2024: Pilgerfahrt in Stille, Gebet und Schreiben zum Friedensmuseum Remagen und zur Goldenen Meile.
2025: Während einiger Wochen Sonntag abends: Zazen vor dem Alten Rathaus in Bonn und Kreisgespräch: „Sitzen für die Kinder in Palästina und überall“.
April-Mai 2025: Pilger-Reise nach Krakau und Auschwitz
Jan Vonhöne, Jahrgang 1968, wuchs im Landkreis Osnabrück auf.
Nach Abitur und abgeschlossener Banklehre studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz mit anschließendem Rechtsreferendariat am Landgericht Frankenthal.
Es folgten Stationen im Versicherungs- und Bankenbereich, bevor er 2001 in die Energiewirtschaft wechselte. Seitdem ist er dort als Unternehmensjurist und in verschiedenen Führungsfunktionen tätig.
Jan Vonhöne ist sportbegeistert (Ski, Radfahren, Fußball), liebt die Musik (u.a. klassische Ausbildung Querflöte) und liest gerne zeitgenössische und geschichtsbezogene Literatur. Er lebt mit seiner Familie im Rhein-Pfalz-Kreis, nahe Speyer.
Er besuchte im Juli 2024 die Dichter*innen – Lesung mit Monika Winkelmann in Limburgerhof. Diese berührende Erfahrung verstärkte sein Bedürfnis, sich intensiver mit dem Thema „Auschwitz“ zu befassen. Wenig später meldete er sich für die Einkehrtage in Krakau und Auschwitz im Frühling 2025 an…
Monika Winkelmann: Nach Sabine Bode, Jg. 1947, Journalistin, Buchautorin bin ich, Jg. 1952, ein typisches Nachkriegskind. Bode traute sich als erste Autorin, die komplexe Sachverhalte in allgemeinverständlicher Sprache beschreiben konnte, daran, die jeweils spezifischen Leiden, Schmerzen, Symptome, Themen der jeweiligen Alterskohorten darzulegen: Die von den Kriegskindern selber (unserer Eltern, die als Kinder in den Krieg hineingeboren wurden bzw. keine Kindheit und Jugend in Frieden hatten) bis zu den Nachkriegskindern, Kriegsenkeln und -urenkeln. (Die Urenkel*innen habe ich ergänzt, mit denen ich durch meine Tochter, die Kinder meiner Gruppenteilnehmer*innen und durch eine Schulklasse, die mit ihrer Lehrerin nach einer Polenreise in die Katholische Familienbildungsstätte in den “Council für Kriegskinder und deren Nachfahren” kam, vertraut wurde).
Nachkriegskinder erlebten, wenn ihre Eltern zu den 60% schwer mehrfach traumatisierten Eltern *)gehörten, eine faschistische Erziehung, um es mal kurz zusammenfassen, worunter ich heute noch leide. Ich begegnete den diversen oft langlebigen, gravierenden Leiden der Nachgeborenen bei allen, die mich aufsuchten. Diese trauten sich natürlich auch zunehmend, ihren tief verborgenen Erlebnissen, Eingebungen, Stimmen Aufmerksamkeit zu schenken, weil sie gelesen oder gehört hatten, wie umfassend meine Ausbildung und Erfahrung in Feldern kriegerischer Widerfahrnisse bzw. Taten und gewalttätiger Elternschaft bzw. Familienklimata inzwischen geworden war.
Schreiben und lautes (Vor-)Lesen verlangsamen unseren Denkprozess, und durch diese Verlangsamung wird, wie mein Lehrer Lutz von Werder**) es ausdrückt, Erinnerung induziert. Die Gruppe fungiert dabei wie ein Verstärker und wird gleichzeitig zum haltender Gedeihraum. Instinktiv hatte ich mich schon als Kind diesen Tätigkeiten zugewandt, und in Kombination mit Sport, den ich liebte, Alt-Flöte spielen und Singen sowie Begegnung und Ausdruck im Spiel hatte ich zusammen, was mir nicht nur beim Überleben half, sondern mich schließlich zu meinen beiden Berufungen führen würde: den Sprachen lernen und therapeutisch-heilsamem Schreiben und Gruppenprozesse halten und erleben, sowie der Kontemplation: dem tiefen Eintauchen in Stille und das Feld der Potenzialität.
Solche Felder können überall kreiert bzw. erfühlt werden, wenn wir unsere Sensibilität und Rezeptivität entsprechend durch regelmäßige Übung schulen. Werden wir uns ihrer bewußt, verändert sich unser Atem, unsere Wahrnehmung, unsere Schwingungsfähigkeit. Ganzwerdung vollzieht sich prozesshaft, Tote und Ungeborene werden mühelos imaginiert, Ausgegrenztes willkommen geheißen. Abspaltungen scheinen nach Hause kommen zu wollen. Romane, Lyrik, Essays, Aphorismen, Memoiren, Fachbücher drängen sich auf, Befruchtung geschieht, wir gehen schwanger und sind behilflich beim Verweben der so verschiedenen Fäden des Seins und unseres ureigenen Ausdrucks desselben. Der Glanz des goldenen Fadens leitet uns.
Uns mit allen Wesen vor dem Mysterium verbeugend, danken wir Kanzeon, der Verkörperung des Mitgefühls.***)
*) Hartmut Radebold, *23. April 1935 in Berlin, war ein deutscher Psychiater, Psychoanalytiker und Altersforscher sowie ordentlicher Professor für Klinische Psychologie an der Universität Kassel. Biographische bedingt galt sein besonderes Interesse den gesellschaftlich lange verdrängten Folgen einer Kindheit im Zweiten Weltkrieg.
**)Lutz von Werder, geb. 1939 in Berlin, ist ein deutscher Autor, Moderator, Soziologe, Philosoph und Hochschullehrer für vergleichende Therapieforschung. Außerdem ist er einer der Gründer der Schreibwerkstättenbewegung.
***)Kanzeon ist die japanische Bezeichnung für den Bodhisattva des Mitgefühls, auch bekannt als Avalokitesvara oder Kannon. Der Begriff bedeutet wörtlich “diejenige, die die Schreie der Welt wahrnimmt” und steht für die Verkörperung des Mitgefühls im Buddhismus.




