Heute früh hörte ich einen Dharma-Vortrag von Joan Halifax, die ich hier schon häufiger erwähnt habe. Es ist ja doch bemerkenswert, wie und wo frau oder man schließlich das Rudel findet, dem eine*r sich zugehörig fühlt…bei mir sind es meist die Lehrerinnen und Lehrer, die auch Schriftsteller sind, denen mein Geist sich offenbar nahe fühlt. Ehrgeiz durch Gelübde ersetzen.

In diesem Vortrag kam auf, dass im Laufe des Übens auch der Ehrgeiz verschwände, statt dessen ein Leben aus den Gelübden heraus geführt werde. Ich hätte mich nicht getraut, das so auszudrücken, tatsächlich erfahre ich diesen Umschwung und finde ihn, anders als ich angenommen hatte, beruhigend. Mehrfach habe ich in dem Auschwitz-Zeugnis-Ablegen-Retreat, an dem ich Anfang November für fünf Tage teilgenommen hatte, gegenüber Freunden geäußert, Ehrgeiz sei mir abhanden gekommen. Ich stellte im vergangenen Jahr erfreut fest, wie schnell ich irgendeine Idee, ein Konzept, ein Vorhaben fallen lassen konnte, wenn es sich als nicht stimmig oder nicht realisierbar herausstellte. Ebenso gehe ich zwar mit Entschiedenheit an Pläne heran, die mir wichtig sind – sonst hätte ich sie gar nicht begonnen, noch würde ich darüber sprechen -, aber ich kann ehrlich sagen, jedenfalls glaube ich das, dass es nicht mein Ego ist – obwohl das Ego auch unsere Zuwendung und Liebe verdient -, das hier im Spiel ist.Ich bin nicht sicher, wie andere buddhistische Traditionen es handhaben: Die tägliche Zuflucht oder mehrmals tägliche Zuflucht zu Buddha, Dharma, Sangha dürfte uns gemein sein, wenn auch die Interpretationen sich unterscheiden. Neuerdings habe ich Freude daran, länger die Position auszukosten, bei der meine Stirn die Erde berührt und ich die Handflächen geöffnet nach oben halte, damit ein Buddha darüber laufen könnte. Etwas in mir vertieft die Botschaft und Verheißung der Zufluchtnahme. Manchmal lasse ich sie ganz weit werden und denke, wie Bernie Glassman die drei Juwelen zu nennen pflegte: Bei ‚Buddha‘ an die erwachte Natur aller Wesen; bei ‚Dharma‘ an den Ozean der Weisheit und des Mitgefühls; bei ‚Sangha‘ an die Wechselbeziehung aller Geschöpfe bzw. aller Buddhas und Dharmas. Als Zen-Praktizierende rezitiere ich ferner die Vier Großen Gelübde: Unzählig sind die Wesen – Ich gelobe sie zu befreien
Unermesslich sind die Illusionen – Ich gelobe sie umzuwandeln
Grenzenlos ist die Wirklichkeit – Ich gelobe sie zu erkennen
Unübertrefflich ist der Weg des Erwachens – Ich gelobe ihn zu verkörpern.
Eine Zeitlang schienen sie mir fern, wenn ich sie rezitierte. Seit einigen Wochen macht die Rezitation mich richtig glücklich. Gibt es ein edleres Lebensziel?
Noch kann ich nicht sicher sein, dass mein Ehrgeiz, der mich früher anzutreiben pflegte, was sich durchaus auch auf spirituelle Vorhaben richten konnte, nicht doch noch heimlich vorhanden ist. Oder ab und zu wieder Motor ist. Ich weiß es einfach nicht. Aber ich kann wirklich ehrlich sagen, dass mich Vieles nicht mehr interessiert. Ob und wie oft jemand mit mir sitzt und meditiert. Klar, ich bin glücklich darüber, zusammen macht es meist mehr Freude, meine Disziplin ist leichter aufzubringen, und wahrscheinlich lernen wir etwas gemeinsam. Aber das Eine ist genauso gut wie das Andere. Ich unterscheide weniger oder mache es mir bewusst, was da gerade passiert. Mehr Frieden innen, größere Zentriertheit stelle ich fest, stellen auch andere fest. Eigentlich soll Meditation ja nicht wegen ihres Gewinnes praktiziert werden. Das ist auch richtig. Das Schöne ist, gerade, wenn ich es leicht nehme und mich selber nicht so wichtig, dann geschieht das Wesentliche. Und in Kontakt zu kommen mit diesem Wesentlichen, aus ihm heraus zu leben, das ist nicht nur Freiheit, sondern es schenkt auch Glück.