Oft ist es tatsächlich so, dass einem beim fließenden Schreiben, nach etwas Übung oder auch nicht, Dinge aufs Papier geraten, die man nicht hätte planen können auszusprechen.
Übungen und Techniken des Kreativen Schreibens, wie Akrostichon, Cluster, Schreiben nach Zeit, automatisches Schreiben, überhaupt „Schreiben ohne Anspruch“, lassen uns durchlässiger werden, was ein großer Gewinn für uns ist, vielleicht auch für unsere Umgebung. Meist gewinnen wir an Lebendigkeit, Offenheit, Frische dazu, denn, wie man weiß, kostet es viel Energie, Ungesagtes im Unterbewusstsein schmoren zu lassen! Oft SOLL das Ungesagte nicht heraus, es wird aus verschiedenen Gründen wie ein Schatz gehütet, dabei handelt es sich oft um peinliche, schmerzliche, ja einst unerträgliche oder verbotene, vielleicht schuldhafte Erlebnisse. Es kann sich aber genauso um sogenannte positive Gedanken, Impulse, Wünsche, Sehnsüchte handeln, die man entweder sich selbst oder früher den Eltern nicht eingestehen konnte, oder anderen Menschen nicht, ohne dafür bestraft oder verlassen oder abgewertet zu werden. Vielleicht liebten wir jemanden, den wir nicht lieben durften, oder hatten uns in eine Ausbildung, eine Weise zu leben verliebt, die unsägliche Konsequenzen nach sich gezogen hätte, denen wir uns nicht gewachsen fühlten. Doch in Tag- oder Nachtträumen brachen sich die Bedürfnisse Bahn, in Texten, die wir schrieben, oder auf Bildern, die wir malten, auf Reisen oder nach einem Glas Wein.
Ich habe das Kreative Schreiben, das Berge von Briefen, nicht abgeschickte, aber auch abgeschickte beinhaltete, des Weiteren Beschwerdebriefe, Reflexionen, Klärungsbriefe, Dankesbriefe, Geständnisse, Gedichte und Notizen, als einen Weg zum Heilwerden, zur Ganzheit empfunden. Man muss sich, glaube ich, dass Unsägliche selbst sagen können, es zulassen können, sich eingestehen können, damit es Platz bekommt und sich verwandeln kann. Ja, es verwandelt sich wie von alleine, man nimmt es ja zu sich und kann sich dadurch viel besser einfühlen in sich selbst und dadurch auch in andere Menschen, in Situationen. Es ist ein bisschen wie Schattenarbeit, ganz sicher integrativ, es mindert unsere Angst vor dem Leben, vielleicht auch vor dem Tod, der ja als unser gewaltigster Schatten immer bei uns ist.
Von Ruth Cohn, meiner Lehrerin im Gruppenleiten, übte ich, wie wir alle, den Schatten immer mitzudenken. Jede Idee hat einen Schatten, jede Gruppe, jeder Mensch. Jede Tugend hat einen Schatten, nämlich, wenn ich sie übertreibe. Zu viel des Guten ist das Schlechte. Maß zu halten, ist als Tugend aus der Mode gekommen, dabei bräuchten wir nichts dringender als genau dieses, angesichts der Krise, in der wir leben. Ich habe schon einmal überlegt, ob Buddhas „Mittlerer Weg“ nicht mit diesem Maßhalten identisch sein könnte. Doch darüber reflektiere ich schriftlich ein anderes Mal. Mögen wir maßvoll sein, all unsere Tage.