Durch die Übersetzungen aller buddhistischen Texte aus asiatischen Sprachen, aber auch aus der englischen Sprache kommt eine ganze Reihe scheinbar veralteter Begriffe aus der Mode, bzw. sie verschwinden aus dem Sprachgebrauch.
Wenn es um den großen und so schwierigen Bereich der Vergebung und damit der vorausgegangenen Entzweiung, des Nachtragens und Übelwollens geht, sind die feinen Nuancen so wichtig wie die kleinen Fortschritte. Und mit dieser Erkenntnis und solchem Nachvollzug eignen wir uns unsere Sprache wieder an. Was ist es wirklich, was uns Kummer in einer Beziehung bereitet? Eine schleichende Entfremdung? Die dann durch eine niederträchtige Bemerkung zur Entzweiung führte? Wie hatte sie sich angefühlt, diese Niedertracht, und wie fühlt sich die Entzweiung an? Wird sie von beiden Seiten so wahrgenommen? Scheint es endgültig oder braucht eine der beiden Parteien einfach nur Luft zum Atmen? Kann man, oder könnte man, sich eventuell darüber verständigen?
Ich spüre in mir ein Verlangen, nach und nach die ethischen Grundsätze, die Gelöbnisse, in eine ganz eigene Sprache zu übersetzen und diese Übersetzungsarbeit möglicherweise mit anderen zusammen zu machen. Wenn wir sie wirklich verkörpern wollen, sie wirksam werden lassen wollen in unserem Leben, dann müssen wir auf unserer eigenen Sprache bestehen. Mit „Bestehen“ meine ich nicht etwas Trotziges, sondern ich reklamiere damit einen Akt der Aneignung, der Verantwortung, der Emanzipation. Ich meine, die Zeit des puren Nachbetens, auch innerlich, sollte abgelöst werden durch Selber-Denken, Infragestellen, Antworten verlangen. Während wir das tun, sollten wir nachsichtig sein. Wir sollten immer nachsichtig sein. Nachsicht ist die praktische Seite der Güte, des Wohlwollens.
Güte und Wohlwollen sind gleichzeitig die Grundlagen, die wir üben, und das Ziel. Ziel sage ich, weil es oft schwer ist, gütig und wohlwollend zu sein angesichts einer Niedertracht, um bei diesem Beispiel zu bleiben.
Was uns und damit anderen dabei helfen kann, ist Nachsicht. Ich sehe es ihm oder ihr nach, dass sie so ausfallend wurde oder mich völlig ignoriert hat. Ich lasse sie vorüberziehen, vor meinem inneren Auge, die Gelegenheit, es dieser Person heimzuzahlen, ihr unwiderruflich das Unrecht aufzuzeigen. Sie verstreicht, das nehme ich bewusst wahr, ich atme dabei bewusst aus. Spüre den Biss der vergangenen Verletzung, die Enttäuschung, ja, die Angst, es könnte wieder passieren. Die Beziehung ist nicht mehr, wie sie war. Und ich schaue nicht mehr scharf hin, auf ihren Absturz, analysiere nicht mehr. Ziehe die Richter*innenrobe aus, sie war ohnehin lästig geworden. Verabschiede mich vom Verteidiger, er hat mich und sie immer wieder in Schutz genommen. Draußen scheint die Sonne, und wie viele Wochen, Monate, ja vielleicht sogar Jahre haben wir in diesem Gerichtssaal verbracht?!
Menschen sehnen sich nach Nachsicht, Humor, Neuanfang, gerade wenn es so offensichtlich war. Ich selber auch. Bitte verzeih mir. Klar, ich vergebe dir. Schon längst geschehen. Quatsch. Wir sind alle nur Menschen.