Ist das denn alles voneinander getrennt? Natürlich nicht, aber wir können es als sehr voneinander getrennt erleben und damit unglücklich sein. Ich erinnere mich noch, wie ich begann, den Begriff „Arbeit“ unter die Lupe zu nehmen: Was alles ist Arbeit?
Kann man dieses Wort überhaupt noch unschuldig verwenden, wenn man unter dem Tor in Auschwitz/Birkenau gestanden und gelesen hat: „Arbeit macht frei“? Das ist so ungefähr das Zynischste, das ich je gelesen oder gehört hatte, vor allem durch die Platzierung an diesem schrecklichsten aller uns in den Sinn kommenden Orte. Was, um Himmels willen, IST Arbeit? Gehören Trauerarbeit, Beziehungsarbeit, Babys, Kranke und Alte zu versorgen dazu? Zählt physische Arbeit anders als geistige, von Frauen verrichtete anders als von Männern getane? Was ist mit Kinderarbeit, wo beginnt sie und wo hört sie auf? Darf mit einer Berufung überhaupt Einkommen erzielt werden, anders gefragt, muss Arbeit Fron sein, um richtig was wert zu sein? Zählen Ausbildungszeiten als Arbeit, notwendige, geistige oder physische Arbeit? Darf Mensch ein Grundeinkommen haben, ohne dass er oder sie schließlich einen Finger krumm gemacht, sprich: sich dafür angestrengt hat?
Neulich dachte ich, wir sollten lieber eine direkte Demokratie haben wie in der Schweiz, vielleicht würde dann wieder mehr diskutiert werden, anstatt dass jede*r auf seine oder ihre kleine Glotze schaut und die Kurznachrichten abruft, die alle bekommen. Wenn überhaupt. Ich möchte hier nicht die Bücher aufzählen, die ich zum Thema gelesen habe, sondern zum Nachdenken anregen, am liebsten wäre es mir, wenn wir dies gemeinsam täten. Sollte ich ein Seminar dazu anbieten? Keine schlechte Idee.
Es gab eine Zeit, in der ich sehr unglücklich war in meinem selbst gestrickten Beruf einer Fremdsprachensekretärin. Selbst gestrickt sage ich deshalb, weil ich keine Ausbildung dazu habe, ich konnte ein paar Sprachen, hatte mir Schreibmaschineschreiben selbst beigebracht und hielt mich für lernfähig. Wir können überhaupt viel mehr lernen, als wir denken, wenn der Gegenstand des Lernens uns aufrichtig interessiert und das Arbeits- bzw. Lernklima stimmt. Genau das stimmt aber oft nicht. Wie oft geht es um leere Inhalte, sinnloses Tun, warten, das die Zeit vergeht oder umgekehrt: Derartig viel abzuarbeiten zu haben, fast wie an einem zu schnell eingestellten Fließband, dass man nur noch ausgelaugt wird und kaum Pausen hat, die man zur echten Regeneration nutzen kann.
Auf Wegen, die hier zu lang sind, um sie zu beschreiben, habe ich meine Berufung gefunden oder sie mich. Die einer Poesiepädagogin, die anfangs noch ein Standbein im Büro hatte, während sie mit dem anderen Bein spielte und die ersten Abendkurse und, langsam beginnend, auch Workshops am Samstag gab oder an halben Tagen. Ein Modell, das ich in Einzel-Coachings oft empfohlen habe. Die Vorteile liegen auf der Hand. Wir brauchen einen langen Atem, wenn wir uns selbstständig machen wollen und das, was wir tief innerlich kultivieren, der Welt anbieten möchten. Jeder Weg sieht komplett anders aus, muss anders aussehen, weil ich finde, unser ganzes Leben zählt, wenn wir einen Beruf haben möchten, der uns erfüllt. Zeitweise oder immer mal wieder darf es durchaus sein, finde ich, dass wir nur für unser Brot arbeiten. Auch das ist ehrenwert und sichert uns und vielleicht andere mit ab. Damals sagte ich dazu, als ich halbtags noch angestellt arbeitete: Jetzt ernährt die Sekretärin die Künstlerin. Das fühlte sich schon ganz anders an. Da war ja eine Perspektive, mehr als eine Perspektive, eine Realität geschaffen worden, die mich komplett beflügelte.
Nie war es finanziell leicht für mich, auch deshalb nicht, weil ich mit meiner Tochter bis zum Teenageralter ohne Partnerschaft lebte. Aber spannend, nie langweilig. Ich lernte, dass ich mit meiner kreativen, heilerischen Arbeit Einkommen erzielen konnte – und musste. DAS hält jung und lebendig! Nicht, dass ich sage, wir Künstler*innen und Heiler*innen sollten nicht mehr Unterstützung bekommen, größere Absicherung. Das ist in der Tat so. Was ich nur betonen möchte, ist dies: Wir arbeiten nicht für Geld. Und nur das macht glücklich. Das ist meine feste Überzeugung.
Wir arbeiten aus Liebe, und es gibt ein paar Gesetze, die wir lernen müssen und üben können, damit wir unser Brot und das Dach und mehr bezahlen können.
Jeder von uns hat Menschen kennengelernt, die ihren Beruf lieben, ob das ein paar beseelte Handwerker waren, oder begnadete Verkäufer*innen – oder was immer getan werden musste: Diese Menschen hinterließen eine Spur von Liebe, sicherlich nicht nur in mir. Man bezahlt sie gerne. Und so ist es mit uns auch: Die meisten Menschen werden uns gerne für das bezahlen, was wir ihnen zur Verfügung stellen. Wenn nicht, dann lernen sie es noch.
„Rechter Lebenserwerb“ nennt sich die Einstellung, die Buddha empfahl. Ich habe viel darüber nachgedacht, und Du, liebe Leserin, lieber Leser, möchtest es vielleicht auch tun. Wir verbringen so viel Zeit unseres Lebens damit. Ich finde, wir sollten die nährenden Aspekte unserer Arbeit untersuchen. Außer dem Geld.